Die Burgruine Reußenstein zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen auf der Schwäbischen Alb. Weil die Gefahr besteht, dass sich Teile des Fels lösen könnten, sind die Rad- und Wanderwege unterhalb der Ruine seit sieben Jahren gesperrt. Foto: Horst Rudel

Seit mittlerweile sieben Jahren ist die Pfannensteige unterhalb der Burgruine Reußenstein wegen Felsschlags gesperrt. Eine Öffnung ist nicht in Sicht.

Neidlingen - Das Schild am Wegesrand verheißt Rad- und Wandervergnügen ohne Ende. „ Schwäbischer Alb-Radweg“, „Alb-Neckar-Radweg“, „ Lauter-Alb-Lindach-Radweg“, „Kirchheim-Schopflocher Alb-Radweg“ – gleich vier attraktive Routen kreuzen sich am Wanderparkplatz Bahnhöfle unweit der Burgruine Reußenstein auf der Schwäbischen Alb. Doch über dem Glücksversprechen für bewegungshungrige Naturfreunde bremst ein weiteres, rundes Schild den Tatendrang. Es zeigt ein Fahrrad im roten Kreis: Durchfahrt verboten. Zur Sicherheit verleidet ein paar Meter weiter ein über den Weg verlaufendes Gatter die Rad- und Wanderlust endgültig. „Wald- und Wanderwege gesperrt“, steht da, versehen mit dem Hinweis „Lebensgefahr durch Steinschlag und Felsabgänge“.

Die Gitterkonstruktion versperrt den Einstieg in die Pfannensteige, eine der vormals beliebtesten Rad- und Wandertouren der Region. Vormals heißt: Vor dem Jahr 2014. So lange ist der Schotterweg, der unterhalb der malerischen Burgruine des Reußenstein hinab ins Neidlinger Tal führt, schon gesperrt. Das bremst nicht nur die Ausflügler aus, die es vor allem zur Kirschblüte ins Lindachtal und von dort auf die Schwäbische Alb zieht, sondern auch die Landwirte am Ort. Die müssen mit ihren Traktoren über die Neidlinger Steige tuckern, wenn sie ihre Stückle auf der Hochfläche bewirtschaften wollen.

Gemeinde unterhält Weg trotz Sperrung

„Das ist ärgerlich. Wir nehmen Geld in die Hand und bemühen uns um Tourismusförderung und hier tut sich gar nichts“, schimpft der Neidlinger Bürgermeister Klaus Däschler. Noch ärgerlicher sei es, dass die Gemeinde den Weg im Rahmen ihrer Unterhaltungspflicht trotzdem pflegen und in Schuss halten muss. „Der wäre sonst schon lange zugewachsen“, sagt Däschler. Steine sind seines Wissens nach in den vergangenen sieben Jahre keine von der Felskante abgegangen. Dafür aber sind die Gitter regelmäßig abgängig. „Die werden einfach den Berg runter geworfen. Je länger die Sperrung dauert, desto weniger halten sich die Leute dran“, sagt Klaus Däschler.

Die Hängepartie unterm Reußenstein hat kürzlich auch den Esslinger Kreistag beschäftigt. Das Landratsamt möge doch mal beim Regierungspräsidium Stuttgart nachhaken, wie es um die Sache stehe, hatte der CDU-Fraktionschef im Kreistag, Sieghart Friz, angeregt. Das Ergebnis der Recherche ist entmutigend. „Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich keine Aussage über eine mögliche Weiternutzung der Pfannensteige treffen“, sagt die Sprecherin der Kreisverwaltung, Andrea Wangner.

Kalkpionierrasen darf nicht zerstört werden

Inzwischen ist der Stuttgarter Behörde das Heft des Handelns ohnehin aus der Hand genommen. Um die Felsen an der Albkante zu sichern, muss in den selten vorkommenden und stark unter Schutz stehenden Kalkpionierrasen eingegriffen werden, der die Felsköpfe in diesem Bereich besiedelt. Der vorrangige Schutzstatus dieses Lebensraums bedingt den Worten der Kreissprecherin zufolge, dass eine Genehmigung für solche Eingriffe nur durch die zuständige Kommission der Europäischen Union erteilt werden kann. Eine entsprechende Antragsstellung sei im Frühjahr 2021 in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart geplant. „Es ist derzeit nicht bekannt, wie lange sich ein solches Genehmigungsverfahren durch die EU hinzieht, jedoch ist mit einem längeren Zeitraum zu rechnen“, sagt Andrea Wangner.

Dass in den vergangenen Jahren nichts passiert sei, begründet die Sprecherin mit „sehr umfangreichen naturschutzrechtlichen Untersuchungen vor Ort, die sich über einen Zeitraum von einigen Jahren hinzogen haben“. Auch die Corona-Pandemie hätte zu zeitlichen Verzögerungen geführt. Aus heutiger Sicht sei allerdings davon auszugehen, dass die erforderlichen Gutachten bis Anfang dieses Jahres vollständig vorliegen und die nächsten Schritte eingeleitet werden können. Weil aber mit einem Teil der Felssicherung stark in einen prioritären Lebensraum im FFH-Natura-2000-Gebiet eingegriffen werden müsste, sei ein aufwendiges Genehmigungsverfahren zu durchlaufen.

Im Neidlinger Rathaus ist der Schultes kurz davor, alle Hoffnung fahren zu lassen. „Wir sind halt das letzte Glied in der Kette“, sagt Klaus Däschler. Er befürchtet, dass mit flächendeckend ausgeworfenen Fangzäunen, die mit schwerem Gerät unterhalb der Felsen im Wald verankert werden müssten, letztlich mehr zerstört als gerettet wird. Er würde am liebsten vorschlagen, das Dilemma mit einem weiteren Schild ein für alle Mal zu lösen: „Betreten auf eigene Gefahr“.