Am Morgen ist der Andrang in Waiblingens Dammstraße groß, wenn die Busse des Schienenersatzverkehrs nach Stuttgart, Cannstatt oder Fellbach rollen. Foto: Gottfried Stoppel

Wir probieren an einem beliebigen Montag mit S-Bahn und Schienenersatzverkehr aus, wie und ob das Vorankommen klappt. Pendler berichten dabei, was während der Vollsperrung des Abschnitts Waiblingen-Bad Cannstatt Kraft und Nerven kostet.

Seit Mitte Mai sind die Bahngleise zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt dicht, weil Kabel verlegt werden. Stattdessen pendeln 80 Busse. Inzwischen auch zuverlässig? Wir testen S-Bahn und den Schienenersatzverkehr aus. Repräsentativ sind diese Eindrücke natürlich nicht, es sind Momentaufnahmen. Viele Pendler sammeln täglich Erfahrungen, vom reibungslosen Ankommen bis zur Odyssee.

Es ist 6.51 Uhr. Ich stehe auf dem S-Bahn-Gleis in Schorndorf-Weiler. Die Bahn kommt pünktlich an diesem Montag. Die S 2 fährt nur im Halbstundentakt. Überfüllt ist der Zug aber nicht. Man kann sich den Sitzplatz aussuchen. Kurz nach 7 Uhr ist der Zug in Waiblingen. Dann geht’s Pfeilen und der Menge folgend einige Hundert Meter rüber in die Dammstraße. Der ganz große Andrang sei gerade vorbei, erzählt ein Mann. Vor wenigen Minuten sei der Platz noch rappelvoll gewesen. Wenn Bahnen, auch mal ein Regionalzug, gleichzeitig ankommen, ballt es sich an den Haltestellen, wo die Busse des Schienenersatzverkehrs (SEV) starten.

Reichlich Puffer einplanen gehört für ÖPNV-Profis zum Alltag

Ein Mann vom Servicepersonal wird von einer Dame mit reichlich Gepäck um Hilfe beim Einstieg in den Direktbus nach Bad Cannstatt gebeten. Der Mann packt freundlich mit an. Einige Menschen bekommen in dem Expressbus keinen Sitzplatz und müssen stehen. Die Frau mit dem Gepäck, das stellt sich schnell heraus, ist ÖPNV-Profi. Für sie war klar, dass sie eine Stunde Puffer eingeplant hat. „Man weiß nie, was alles passiert“, sagt sie. Sie möchte nach Bonn.

„In Cannstatt steige ich in den Regionalzug um, dann spare ich mir die weiten Wege am Stuttgarter Bahnhof“, sagt sie. Als der Bus die Auffahrt zur B 14 vor dem Kappelbergtunnel nimmt, staut es sich. Dann Stop-and-go-Verkehr. Doch schnell löst sich der dichte Verkehr. „Besser könnte es nicht laufen“, sagt die Frau. Sie hätte die Option gehabt, bei ihrer Tochter, die in Stuttgart arbeitet, im Auto mitzufahren. Doch das habe sie lieber gelassen. „Wenn Stau ist, steht sie genauso wie der Bus“, sagt sie. Dann könne sie aber keine Erstattung bei der Bahn beantragen.

Der Bus folgt der Route, die mit SEV-Schildern gekennzeichnet ist. Über den Neckarpark erreicht er an der Kegelenstraße das Rückgebäude des Cannstatter Bahnhofs um 7.48 Uhr. Wer den Anschluss zur S 2 nach Filderstadt benötigt, muss sich sputen. Um 7.51 Uhr würde es weitergehen von Gleis 2. Ohne Gleissperrung würde die S 2 von Weiler in 58 Minuten direkt nach Echterdingen rollen. „Auch wenn es soweit klappt, braucht das Pendeln mehr Zeit und Kraft“, sagt eine Frau, die nach Stuttgart fährt.

Bahnhöfe sind keine Wohlfühlzonen

Für die Menschen verlängert sich der Weg zur Arbeit teils deutlich. Und Bahnhöfe sind spürbar keine Wohlfühlzonen, abgesehen davon, dass Schattenplätze an den Gleisen bei der Hitze Mangelware sind. Wohlfühlen ist auch nicht am Cannstatter Bahnhof angesagt, der derzeit umgestaltet wird. Bagger, Lärm und Umwege bringen die Bauarbeiten mit sich. Bis zur Fußball-EM 2024 soll der Bahnhofsvorplatz neu gestaltet werden. Mitten in dem Gedröhne steht ein sogenannter Reisendenlenker mit seiner knallig orangefarbenen Jacke. Eine beeindruckende Wortschöpfung, bei der wohl nicht nur fremdsprachige Fahrgäste ratlos zurückbleiben. Am Rückgebäude des Cannstatter Bahnhofs startet dann der Bus, der über die Nürnberger Straße nach Fellbach führt. Kurz nach 9 Uhr, die Rush Hour ist vorbei, es gibt viel Platz. Um 9 Uhr 20 erreicht er die Haltestelle vor der Fellbacher Volkshochschule.

Wer mit dem Auto pendelt, brauch teils starke Nerven und viel Zeit

Wer tagtäglich mit dem Auto pendelt, ist auch nicht immer fein raus. „In der vergangenen Woche lief es über die Schmidener Straße nach Plieningen gar nicht, das war einen Katastrophe“, sagt ein Pendler aus Fellbach-Schmiden. Seit dieser Woche laufe es entspannter. Bei Unfällen wie dem Brand im Kappelbergtunnel neulich sei das Chaos aber programmiert.

Das Thema kaputte Aufzüge ist auch bei der Vollsperrung akut: Genervt ist eine Radlerin, die am Dienstagabend am Grunbacher Bahnhof auf den Bahnsteig möchte. „Der Aufzug ist wieder kaputt, das ist leider sehr oft so“, sagt sie, „und nicht nur in Grunbach.“ Dass Bahn und Bus immer wieder unter Vandalismus leiden, das zeigte sich auch am Mittwoch, als ein Mitarbeiter eines Busunternehmens die Anzeigetafeln der Haltestelle Rems-Murr-Center in Fellbach erneuert musste. Sie waren angekokelt worden, die Zeiten nicht mehr lesbar. „Was das soll, das kann ich nicht verstehen“, sagt der Mann, während er mit Werkzeug hantiert.

Das Radparkhaus in Waiblingen wird geschätzt

Recht zufrieden zeigt sich bisher Claudia Daiber mit ihrer Lösung, sie hat ein Job-Ticket. Die Erzieherin stellt ihr Rad im Bike-and-Ride-Parkhaus am Waiblinger Bahnhof ab und radelt zu ihrer Arbeit. Sie pendelt aus der Nähe von Schwäbisch Gmünd zu ihrem Arbeitsplatz im Hort der Fellbacher Maicklerschule. „Das Rad blieb unbeschädigt, und ich bin unabhängig von den Bussen“, sagt sie. Ihre Begeisterung fürs Radeln sei gestiegen. „Ich würde mir wünschen, dass es die Möglichkeit des Radparkens noch weiter gibt“, sagt sie. „Das Rad sicher und kostenlos abstellen ohne Karte, App oder Buchung, das ist einfach klasse.“

Einschränkungen auf Straße und Gleisen

Tunnelreinigung
 Der Kappelbergtunnel in Fellbach wird gereinigt. Die Arbeiten finden von Samstag, 24. Juni, 22 Uhr, bis Sonntag, 25. Juni, um 5 Uhr statt. Während der Reinigung wird nacheinander pro Fahrtrichtung ein Fahrstreifen gesperrt.

Sperrung  Bis Ende Juli sperrt die Bahn Gleise und Strecken im Bereich von Waiblingen nach Bad Cannstatt. Der Grund sind Kabelarbeiten im Zusammenhang mit dem Ausbau des Digitalen Knotens für Stuttgart 21. Siehe auch unter: https://www.vvs.de/bauarbeiten-digitalerknoten .