Fridi Miller hat bereits mehr als 100 Mal für ein Bürgermeisteramt in der Region kandidiert. Ihr gesetzliche Wählbarkeit hat sie aber mittlerweile verloren. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Der Weissacher Helmut Epple wehrt sich gegen eine Haftstrafe, Fridi Miller aus Sindelfingen ist geschäftsunfähig. Beide treten häufig bei Bürgermeisterwahlen an. Das soll sich jetzt ändern.

Helmut Epple, Fridi Miller, Ulrich Raisch – drei Namen, drei Kandidaten, die regelmäßig bei Bürgermeisterwahlen in der Region kandidieren. Der eine muss nach einem Richterspruch in Haft, die andere ist geschäftsunfähig, der dritte indes kandierte im Januar im Kreis Ludwigsburg. In Möglingen erhielt er 7,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sind solche Kandidaten fürs Bürgermeisteramt ein Problem für die Gemeinden und Städte im Land?

Bürgermeister wollen Spaßkandidaten Einhalt gebieten

Sogenannte Spaßkandidaten – Dauerbewerber also, die bei Bürgermeisterwahlen kandidieren, aber für das Ergebnis völlig bedeutungslos sind – gibt es seit jeher. „Aber die Anzahl steigt stetig an“, sagt Michael Makurath. Und dies stelle die Städte und Gemeinden nicht nur vor zusätzliche, sondern auch praktische Herausforderungen bei der Organisation und Durchführung der Wahl, konstatiert der Präsident des Verbands baden-württembergischer Bürgermeister. Aber nicht nur das: „Vielmehr birgt die Zunahme an Spaßbewerbern nach unserem Dafürhalten auch die Gefahr einer weiteren Erosion der Wertschätzung demokratisch legitimierter Institutionen.“

Nach Auffassung des Verbands soll den Spaßkandidaten deshalb Einhalt geboten, ihre Kandidatur erschwert werden. Es sei bedauerlich, „dass trotz einer gemeinsamen Position der kommunalen Spitzenverbände und unseres Verbandes in dieser Frage noch keine Bewegung der Landesregierung zu erkennen ist, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken“, sagt Makurath.

35 Bürgermeisterkandidaten in Bad Herrenalb

Er verweist auf Entwicklungen wie bei den Bürgermeisterwahlen in Bad Herrenalb (Kreis Calw) oder Achstetten (Kreis Biberach), „bei denen – provoziert durch entsprechende Medienberichterstattung – binnen kurzer Frist eine große Zahl von Bewerbungen eingingen, deren Ernsthaftigkeit zum Teil offenkundig in Frage gestellt werden musste.“ Dies belege deutlich, dass gerade in kleineren Kommunen mit weniger als 20 000 Einwohnern Handlungsbedarf bestehe, so Makurath. In Bad Herrenalb waren es 35 Kandidaten, in Achstetten 19.

Die Kandidaten ficht das nicht an. Sie sehen sich auch nicht als Spaßkandidaten oder Dauerbewerber. Helmut Epple trat zuletzt im Sommer in Weissach an. Doch der kreisbekannte Weissacher, der zuletzt bei den Bürgermeisterwahlen unter anderem auch in Weil der Stadt und Renningen kandidiert hatte, muss nach einem Richterspruch ins Gefängnis. Im Winter 2020 hatte das Landgericht Stuttgart den damals 63-Jährigen letztinstanzlich wegen gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Später widerrief das Gericht jedoch die Bewährung, weil Epple die Arbeitsstunden nicht abgeleistet hatte.

Forderung der Amtsinhaber liegt auf dem Tisch

Seine Haftstrafe hat Epple bisher allerdings nicht angetreten. Er nutzt eine letzte ihm verbleibenden Möglichkeit. „Der Verurteilte hat einen Antrag auf Aufschub, Wiederaufnahme und Begnadigung gestellt, der derzeit geprüft wird“, teilt die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit. Die Entscheidung über diesen Antrag steht aus.

Ziel der baden-württembergischen Bürgermeister ist es indes, den Dauerbewerbern grundsätzlich Einhalt zu gebieten. Ihre Forderung untermauern sie mit einem entsprechenden Vorschlag. Sie plädieren für die Einführung von Unterstützungsunterschriften auch für Bewerbungen zu Bürgermeisterwahlen in kleineren Gemeinden.

„Wir erkennen an, dass der freie Zugang zum Amt des Bürgermeisters ein hohes demokratisches Gut ist und dies wollen wir in keiner Weise in Frage stellen“, sagt Makurath. „Bei unserem Ansatz steht deshalb ausdrücklich nicht die Person oder die Qualifikation der Bewerber im Vordergrund.“ Allerdings sei es den Personen, die sich für ein politisches Spitzenamt in der Gemeinde interessierten, zuzumuten, zumindest einmal vor Ort präsent und mit der Bürgerschaft in Kontakt gewesen zu sein, um sich deren Unterstützung dokumentieren zu lassen.

Ein geeignetes Mittel?

Die Einführung von Unterstützungsunterschriften auch in kleineren Gemeinden mit weniger als 20 000 Einwohnern scheine ein geeignetes und letztlich „verhältnismäßiges Mittel zu sein, um die Würde und den Respekt vor dem kommunalen Wahlamt besser zu schützen“, sagt der Verbandspräsident. Wie wirksam dieser Ansatz sei, zeige die Einführung von Unterstützungslisten bei den größeren Kommunen.

Laut dem Regierungspräsidium Stuttgart müssen Bewerber, die im Land für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren wollen, seit 1997 eine Unterschriftenliste mit mindestens 50 Namen vorlegen. Je größer die Kommune, desto mehr Unterschriften sind erforderlich. 250 Unterstützer sind beispielsweise in Kommunen mit mehr als 200 000 Einwohnern erforderlich.

Im Fall von Helmut Epple wird sich in wenigen Tagen entscheiden, ob er tatsächlich ins Gefängnis muss. Der Musikpädagoge Ulrich Raisch (CDU) aus Stuttgart indes holte vor gut vier Wochen rund 7,3 Prozent der Stimmen bei der Bürgermeisterwahl von Möglingen. Er war neben der späteren Wahlsiegerin Rebecca Schwaderer (parteilos) einziger Kandidat gewesen.

Fridi Miller aus Sindelfingen wiederum wollte im Dezember 2022 in der Gemeinde Wain im Landkreis Biberach kandidieren – nach mehr als hundert Kandidaturen andernorts. Der Gemeindewahlausschuss lehnte jedoch ab: Sie hatte nicht die dafür erforderliche Wählbarkeitsbescheinigung vorgelegt.

Miller hat einen gesetzlichen Betreuer und gilt seit vier Jahren als geschäftsunfähig. Damit hat sie die Grundvoraussetzung für eine Kandidatur verwirkt. Das Gericht hatte die Aufhebung der Betreuung im vergangenen Oktober laut Miller abgelehnt. Doch Miller akzeptiert das nicht. Jetzt haben die Gutachter das Wort. Ausgang offen.