EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beglückwünscht Donald Trump zu seinem Sieg. Doch sie weiß, dass auf Europa schwere Zeiten zukommen. Foto: AFP/JOHN THYS

In Brüssel wird beklagt, dass Europa trotz aller warnenden Vorzeichen nicht auf den Sieg Donald Trumps vorbereitet ist.

Europa müsse seine Hausaufgaben machen, heißt es in Brüssel am Morgen nach der US-Wahl. Diese Forderung ist vor allem das Eingeständnis, dass genau das die letzten Jahre versäumt wurde. Aus der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament heißt es, man brauche jetzt „mehr gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ und die eigene Verteidigungsbereitschaft solle gestärkt werden. „Gleichzeitig müssen wir die eigene Wirtschaft fördern und nicht immer weiter mit zusätzlicher Regulierung erdrosseln“, erklärten Daniel Caspary (CDU) und seine Co-Vorsitzende Angelika Niebler (CSU) am Mittwoch. Fast wortgleich formulieren es die Politiker von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen im Europaparlament.

Nicht der erste Weckruf für Europa

Die Wahl Trumps sei ein Weckruf, ist eine andere, in diesen Stunden gern benutze Floskel. Im selben Atemzug wird eingeräumt, dass Europa den ersten Weckruf schon nach der Wahl des Republikaners im Jahr 2016 vernommen habe. Geradezu reumütig wird dann erklärt, dass danach zu wenig unternommen wurde, um auf eigenen Beinen zu stehen und von den Washington unabhängiger zu werden.

Der Krieg in der Ukraine führte Europa dann in seiner ganzen Brutalität vor Augen, dass die westlichen Demokratien nicht einmal in der Lage sind, sich ohne die USA gegen eine militärische Aggression selbst zu verteidigen. Der Grünen-Europaparlamentarier Sergey Lagodinsky betonte am Mittwoch, dass die EU nun daran arbeiten müsse, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben, die auch nach der Amtsübernahme Trumps bestand haben.

Die EU beschäftigt mit sich selbst

Allerdings sei es in diesem Moment „misslich“, dass sich die EU gerade in einer „Übergangsphase“ befinde. Lagodinsky meint damit, dass in der Union zwar im Juni Parlamentswahlen stattgefunden haben, aber das Auswahlverfahren im Parlament für die zuständige Kommissare erst jetzt angelaufen ist und die Kommission – also die „Regierung Europas“ - frühestens Anfang Dezember antritt.

Die Hausaufgaben nicht gemacht hat die EU nicht nur im Bereich Sicherheit und Verteidigung. Schwer wiegen auch die Versäumnisse bei der Wirtschaft. „Sollte Trump all seine Versprechen in die Tat umsetzen, hätte das langfristig enorme globale Folgen“, warnt Bernd Lange, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Handelsausschusses. „Protektionismus und nur kurzfristig eigene Wirtschaftsinteressen im Blick zu haben führt in eine Sackgasse.“ Vor allem für Europa könnten Trumps Pläne fatale Folgen haben. „Schließlich sind die USA nach wie vor unser wichtigster Handels- und Investitionspartner“, sagt Bernd Lange.

Schwere Zeiten für den freien Welthandel

Der Europaparlamentarier betont allerdings auch, dass Brüssel durchaus darauf vorbereitet sei, sollten die USA „ungerechtfertigte Zölle auf EU-Produkte“ erheben. „Wenn Trump seine angekündigten Zollfantasien in die Tat umsetzt, dann werden wir ihn in die Realität zurückholen und uns wehren.“ Das heißt, dass die EU aller Voraussicht nach mit Vergeltungszöllen auf US-Importe reagieren würde. Im Idealfall wären diese so folgenreich für US-Hersteller, dass sie Trump an den Verhandlungstisch zwingen, wo dann eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Einen sehr grundsätzlichen Punkt wirft der CDU-Europaabgeordnete und Sozialpolitiker Dennis Radtke in die Diskussion. „Noch schlimmer als ein Sieg von Trump ist der Sieg des Trumpismus“, schreibt er auf dem Nachrichtendienst „X“ (ehemals Twitter). Große Sorge bereitet Radtke, dass „man mit Lügen, Hetze und dem Leugnen von Wissenschaft eine Wahl gewinnen“ kann. Das sei eine Warnung, denn es zeige sich, dass auch in Europa Populisten mit diesen Mitteln in Abstimmungen Siege einfahren.