Nur wer eine Mehrheit hinter sich bringt, kann Berlin regieren. Daraus ziehen die Bundesparteien ihre eigenen Schlüsse.
Es gibt deutlich Schöneres, als an diesem Abend Kevin Kühnert zu sein. Der SPD-Generalsekretär ist in doppelter Hinsicht getroffen. Erstens, weil das Ergebnis bundespolitisch keinen Rückenwind für die SPD bedeutet. Und zweitens, weil er selbst Teil der Berliner SPD ist, die ein Debakel erlebt. Bundespolitiker haben in solchen Fällen die Aufgabe, ihre Landespartei bei der Ausdeutung des Ergebnisses so gut wie möglich zu unterstützen. Kühnert zeigt sich also zerknirscht über das Ergebnis, bemüht sich aber auch alles Optionen offen zu halten.
„Selbstverständlich schmerzt das“, sagt er am Sonntagabend im ZDF. Es dürfe jetzt „kein Weiter so“ geben, sagt er – und greift damit eine Formulierung der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) auf. Auch sonst macht er klar: „Wer regieren möchte am Ende in Berlin, der muss eine Mehrheit hinter sich versammeln.“ Ein Signal an sie CDU: Vorn zu liegen, reicht nicht zwingend, um die Regierung anzuführen.
Beispiel Armin Laschet
Die Bundes-CDU verbreitet naturgemäß eine andere Botschaft. „Berlin hat einen Neuanfang gewählt“, sagt CDU-Generalsekretär Mario Czaja – auch er ein Bundespolitiker aus der Hauptstadt. Für den Berliner CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner sei dies ein „tolles Ergebnis“. Dann setzt Czaja die Botschaft, die in den kommenden Tagen von jedem aus der Bundes-CDU zu hören sein wird: Wegner habe „einen klaren Regierungsauftrag“. Berlin brauche eine stabile Regierung, „die nicht das Gegeneinander, sondern das Miteinander lebt“.
Grünen-Chef Omid Nouripour sagt: „Natürlich werden die Grünen mit allen demokratischen Parteien sprechen.“ Er verwies aber auch auf die Präferenz der Landespartei, die Koalition mit SPD und Linken fortzusetzen. Nouripour gratulierte der CDU zu ihrem starken Wahlergebnis. Dann argumentiert er aber genau wie SPD-Generalsekretär Kühnert: Regierender Bürgermeister werde aber nur, wer eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus hinter sich bringe. Der Grünen-Chef bemüht dabei ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Der CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet habe nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 schließlich auch Sondierungsgespräche geführt.
Die Ampel geht schweren Zeiten entgegen
Die krisengeschüttelte Linke erfreut sich schon daran, dass sie in Berlin nicht allzu viele Stimmen verloren hat. „Die Linke ist wieder da“, sagt der Bundesvorsitzende Martin Schirdewan. „Das ist ein richtig gutes Ergebnis für die Linke in einer doch recht schwierigen Zeit“, betont auch die Co-Vorsitzende Janine Wissler.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla erklärt das Wahlergebnis zu einer Klatsche auch für die Bundesregierung. „Hier ist die Regierung abgestraft worden“, sagt er. Das gelte nicht nur für die Berliner Landesregierung, sondern auch für die Bundesregierung und ihre Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine.
Für die FDP häufen sich die Wahlniederlagen auf Landesebene – das macht das Regieren in der Ampel-Koalition, die an der FDP-Basis viele skeptisch sehen, nicht leichter. FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai sagt, bei jeder Landtagswahl gebe es andere Konstellationen. CSU-Generalsekretär Martin Huber stichelt dagegen: „Die Ampel ist ein Abwrack-Programm für die FDP.“