Der Stimmenzuwachs fürs rechte Lager bei der Europawahl wurzelt auch in den kleinen Rems-Murr-Kommunen. Foto: dpa/Jörg Carstensen

Am ländlich geprägten Rand des Rems-Murr-Kreises liegt die Rechtspartei bei Europa- und Regionalwahl teils noch vor der CDU. Der flächendeckende Einzug in die Ortsparlamente scheitert am Bewerbermangel.

Über das Wahlverhalten der Menschen am ländlich geprägten Rand des Rems-Murr-Kreises behaupteten böse Zungen einst, die CDU könne auch eine mit einem schwarzen Fetzen bekleidete Vogelscheuche als Kandidat aufstellen – der Sieg beim Rennen um die Stimmen sei der Union selbst mit einer Attrappe so gut wie sicher.

Übrig geblieben ist von der einst berüchtigten Dominanz schwarzer Hochburgen nicht mehr viel, inzwischen nimmt auch an Rems und Murr vielerorts die AfD die Rolle des Kreuzchen-Garanten ein. Obwohl die vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtspartei mit internem Dauerzwist kämpft und einen geradezu desaströsen Wahlkampf abgeliefert hat, sind ihr gerade in kleineren Ortschaften teilweise beachtliche Stimmenzuwächse geglückt.

Hohe Stimmenanteile – trotz aller Skandale

Fast 15,9 Prozent der Stimmen erhielt die AfD am Sonntag bei der Europawahl und liegt mit diesem kreisweiten Ergebnis nicht nur weit vor der SPD, den Grünen und der FDP. Die Skandale um den selbst im eigenen Lager nicht mehr unterstützten und intern mit einem Auftrittsverbot belegten Spitzenkandidaten Maximilian Krah spielten für 31 682 Menschen keine Rolle, die AfD-Wählerschaft ließ sich weder von nach Spionagevorwürfen in Untersuchungshaft sitzenden Referenten noch von Mutmaßungen über Parteispenden aus pro-russischen Quellen beeinflussen. Bei der Regionalwahl schenkten sogar 16,2 Prozent der Bürger der Rechtspartei ihre Stimme – nur die CDU schneidet im Rems-Murr-Kreis sowohl bei Europa- als auch bei Regionalwahl besser ab.

Das noch vergleichsweise moderate Kreisergebnis täuscht allerdings darüber hinweg, dass es in kleineren Ortschaften am Sonntag durchaus zu einem politischen Erdrutsch gekommen ist. Im schon in der Vergangenheit als Sammelbecken für Protestwähler bekannt gewordenen Großerlach beispielsweise liegt die AfD bei der Europawahl mit 27,3 Prozent nur knapp hinter den Christdemokraten, bei der Regionalwahl hat die Rechtspartei mit 29,8 Prozent sogar die Nase vorn. 20,6 Prozent sind es in Welzheim bei der Europawahl, 21,6 Prozent in Kaisersbach, sogar 25,7 Prozent in Althütte. Sogar zur stärksten politischen Kraft ist die AfD am Sonntag in Spiegelberg geworden – mit 29,7 Prozent bei der Europawahl und 29,9 bei der Regionalwahl schrammt die Rechtspartei nicht nur knapp an der 30-Prozent-Marke vorbei, sondern liegt jeweils vor der CDU.

Mit der Suche nach lokalen Kandidaten tat sich die Rechtspartei schwer

Bei so großer Resonanz ist es bemerkenswert, dass die AfD beim erklärten Versuch, flächendeckend auch in die Stadtparlamente einzuziehen, an Rems und Murr gescheitert ist. Dass es nichts werden wird mit dem Sprung in die Gemeinderäte, war allerdings schon Wochen vor der Stimmabgabe klar. Denn mit der Suche nach Kandidaten für die lokalen Listen tat sich die Rechtspartei vor Ort eher schwer, vom selbst formulierten Anspruch der Bundes-Chefin Alice Weidel, gut ein Jahrzehnt nach der Gründung zu einer „gesamtdeutschen Volkspartei“ geworden zu sein, war im Rems-Murr-Kreis wenig zu sehen. Nur in zwei von 31 Städten und Gemeinden – Backnang und Schorndorf – trat die AfD bei der Wahl am Sonntag überhaupt mit einer Liste für den Gemeinderat an. In Backnang führte das zu einem lokalen Stimmenanteil von 13,7 Prozent, was vier Sitzen im Gremium entspricht. In Schorndorf sind nach vorläufigen Zahlen künftig sogar fünf AfD-Vertreter im Gemeinderat.