Trotz Mauer: der US-Dollar schwächelt gegenüber Foto: AFP/MAHMOUD ZAYYAT

Der Euro wird stärker, der Dollar schwächer. Das ist ein deutliches Misstrauensvotum gegenüber der größten Volkswirtschaft der Welt.

Frankfurt - Die europäische Gemeinschaftswährung Euro gewinnt seit Wochen an Wert. Am vergangenen Freitag erreichte der Euro gegenüber dem US-Dollar mit 1,1909 Dollar den höchsten Stand seit Mai 2018. An dem Trend zu einem stärkeren Euro wird sich nach Einschätzung von Experten auch vorerst nichts ändern, auch wenn der Kurs am Freitag nach Bekanntgabe schlechter Konjunkturdaten wieder leicht absackte. Die Finanzakteure sind aber derzeit offenbar eher der Meinung, dass sich die europäische Wirtschaft schneller von der Krise erholen wird als die US-Wirtschaft. Allein seit der Einigung der EU-Staats- und Regierungschefs auf ein Milliarden schweres Hilfspaket zur Stützung der Konjunktur hat der Euro gegenüber dem Dollar rund zehn Prozent an Wert gewonnen.

Auf der anderen Seite ist die derzeitige Eurostärke eine Schwäche des US-Dollar. Die weltweite Leitwährung leidet vor allem unter der in den USA nach wie vor ungebremst grassierenden Corona-Pandemie sowie dem erneut angeheizten Handelsstreit mit China. Die Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) halten den „Greenback“, wie der Dollar auch genannt wird, angesichts der Umstände sogar noch für überbewertet. „Die Kaufkraftparität deutet sogar auf einen Kurs über 1,30“, schreiben die Helaba-Experten. „Nach dem früheren Muster müsste der Anstieg noch einige Jahre andauern und vor allem noch deutlich steiler verlaufen.“

Deutlichstes Indiz für den Wertverlust des Dollar ist der Dollar-Index, der die US-Währung mit einem Korb aus anderen Währungen abgleicht. Der sank zuletzt mit 93,5 Zählern auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Noch Mitte März hatte der Index bei 102 Punkten notiert. Dabei ist auffallend und ungewöhnlich, dass der Dollar gegen praktisch jede Währung verliert, selbst gegen den brasilianischen Real oder den mexikanischen Peso, obwohl diese beiden Länder ebenso stark von dem Coronavirus betroffen und ihre Volkswirtschaften deutlich schwächer sind als die amerikanische. Gegenüber dem Real hat der Dollar aber allein im Juli um sechs Prozent abgewertet, gegenüber dem Peso immerhin knapp fünf Prozent.

„Der Ausbruch der zweiten Viruswelle hat nicht nur Zweifel an einer schnellen Konjunkturerholung in den Vereinigten Staaten aufkommen lassen. Mittlerweile scheinen die Sorgen der Investoren noch viel tiefer zu gehen. Es werden schon wieder Stimmen laut, die den Status des US-Dollar als Weltleitwährung in Gefahr sehen“, heißt es in einer Studie der Commerzbank. Dies sei zwar nicht die Meinung der Commerzbank, aber das Thema der Weltleitwährung sei wieder aktuell geworden, ergänzt die Devisenexpertin der Bank, Thu Lan Nguyen. Ein Indiz für den Bedeutungsschwund des Greenback als Leitwährung ist Experten zufolge, dass der Anteil des Dollar an den weltweiten Währungsreserven in den vergangenen 20 Jahren von 70 auf 60 Prozent zurückgegangen ist.

Kurzfristig liegen die Gründe für die Dollarschwäche auf der Hand. Zwar lässt sich der Einbruch der US-Wirtschaft um knapp 33 Prozent im zweiten Quartal nicht mit den Zahlen aus Europa direkt vergleichen, weil die Amerikaner die Veränderung ihres Bruttoinlandsprodukts anders berechnen. Sie rechnen die Quartalszahlen aufs ganze Jahr hoch, während in Europa die Veränderung von Vierteljahr zu Vierteljahr berechnet wird. Klar ist aber, dass auf beiden Seiten des Atlantiks der Wirtschaftseinbruch so stark war wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Zudem rechnen immer mehr Experten damit, dass die europäische Wirtschaft schneller wieder auf die Füße kommen wird als die amerikanische.

Hinzu kommt die umstrittene Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. Der von ihm wieder ausgerufene Handelsstreit mit China könnte schwerwiegende Folgen haben. Während Trump behauptet, dass die Chinesen den Amerikanern Arbeitsplätze wegnähmen, hängen mehrere US-Konzerne vom chinesischen Arbeitsmarkt ab – der Computerkonzern Apple etwa lässt große Teile seiner Produkte im Reich der Mitte fertigen. Commerzbank-Expertin Nguyen sagt: „Meine Befürchtung ist, dass sich Unternehmen aus Angst vor US-Wirtschaftssanktionen zunehmend vom US-Dollar abwenden, oder sich gar gänzlich aus dem US-Markt zurückziehen. Letzteres gilt vor allem für chinesische Unternehmen.“