Der Rohbau steht. Ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug steht bereits in der Werkstatthalle. Foto: Gottfried Stoppel

Wasserstoff, Hochvolttechnik, Praxisnähe: In Backnang entsteht ein Ausbildungszentrum mit Strahlkraft. Warum es jetzt so wichtig ist – und was noch geplant ist.

Ein Dach über dem Rohbau, ein Kranz auf dem Gerüst – das Richtfest an der Gewerblichen Schule Backnang ist formell betrachtet ein Bauabschnitt unter vielen. Doch das, was dort jetzt gefeiert wurde, trägt weiter.

Mit den neuen „Zukunftswerkstätten“, die derzeit auf dem Schulgelände entstehen, nimmt ein Projekt Gestalt an, das Bildungspolitik, Energiewende und regionale Industriepolitik miteinander verschränkt. Der Neubau soll nicht nur zusätzliche Werkstatträume schaffen, sondern einen zentralen Ort technischer Ausbildung im Zeichen der Transformation.

Zehn Millionen Euro fließen in den Neubau – finanziert aus Mitteln des Kreises und des Landes Baden-Württemberg. Das Ziel: eine moderne Ausbildungsumgebung, in der künftige Fachkräfte mit den Technologien vertraut gemacht werden, die im Umbau der Mobilität potenziell eine tragende Rolle spielen. Vier Werkstätten sind vorgesehen, mit Schwerpunkten auf Wasserstoff, Gas, Hochvolttechnik und klassischer Fahrzeuginstandsetzung.

Ausbildungszentrum für Wasserstofftechnologie und Mobilitätswandel

Für die Sozialdezernentin des Landkreises, Stefanie Böhm, ist das Bauvorhaben „ein Meilenstein auf dem Weg in eine innovative und nachhaltige Energiezukunft“. Bereits 2020 hatte der Kreistag entschieden, Wasserstoff als Schlüsseltechnologie in einer regionalen Strategie zu verankern – samt Innovationsfonds, der Projekte wie jenes in Backnang ermöglicht.

Der Wasserstoff-Showroom ist bereits im vergangenen Jahr von Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut eröffnet worden. Foto: Frank Rodenhausen

Drei Pfeiler umfasst die Strategie: die Produktion von grünem Wasserstoff (etwa durch einen Elektrolyseur in Waiblingen), der praktische Einsatz im öffentlichen Nahverkehr und bei kommunalen Fahrzeugen – und nicht zuletzt die Vermittlung von Kompetenzen, etwa durch das Schulprojekt.

Die Bildungsdimension ist dabei kein nachgeordneter Aspekt, sondern zentral: „Wir erklären im Hylab allen, was Wasserstoff ist und was er kann“, sagt Schulleiterin Isolde Fleuchaus. In der Lernwerkstatt sollen junge Menschen nicht nur die Technologien begreifen, sondern auch befähigt werden, auf gesellschaftliche Zukunftsfragen Antworten zu finden. Dabei setzt man auf einen interdisziplinären Zugang: Theorie, Praxis, gesellschaftliche Einordnung.

Lernwerkstatt für grüne Energie und technische Bildung

Herzstück des Vorhabens ist neben dem bereits eröffneten Hylab-Showroom der Werkstattkomplex selbst. Er soll Platz für vier spezialisierte Ausbildungsräume bieten, mit hohen Sicherheitsstandards, flexiblen Nutzungsmöglichkeiten und moderner Ausstattung wie Hebebühnen, Assistenzsystemen oder Hochvoltanlagen. Fachlehrer Heribert Gantner, intern als „Mr. Wasserstoff“ bekannt, bringt den Anspruch auf den Punkt: „Wer Zukunft bauen will, muss heute handeln.“ Die Lernwerkstatt soll dabei technologieoffen bleiben – von Verbrennern über Strom bis hin zu Gas und Wasserstoff.

Architekt Reiner Schmidt, verantwortlich für die Planung, betont die Komplexität des Vorhabens: „Die Materie – Wasserstoff, Gas, Hochvolttechnik – war nicht unkompliziert. Es galt, funktional, flexibel und sicher zu planen.“ Der Zeitplan wurde bisher eingehalten, die Fertigstellung ist für Mai 2026 vorgesehen. Schmidt formulierte seinen Anspruch an das Gebäude mit nüchterner Klarheit: „Ein inspirierender Ort für Lernende – funktional, aber zukunftsweisend.“

Technik von morgen: Hochvolt, Gas und Wasserstoff praxisnah lehren

Die Backnanger Schule denkt indes nicht nur regional. Mit einer Partnerschaft zum Berufsbildungszentrum „Profesor Graiño“ im spanischen Huelva ist eine europäische Dimension hinzugekommen. Auch dort wird in großem Stil in Wasserstoffproduktion investiert, unter anderem durch den Ölkonzern MOEVE, der bis 2040 dekarbonisieren will. Auszubildende beider Länder sollen künftig Erfahrungen austauschen, gemeinsam lernen und den technologischen Wandel mitgestalten.

Schon heute ist das HyLab in Backnang mehr als ein didaktischer Schauplatz. Mehr als 10.000 Besucher haben den Wasserstoff-Showroom seit seiner Eröffnung gesehen – Schulklassen, Bürgerinitiativen, internationale Delegationen. Die Begeisterung der Gäste – darunter auch Ministerinnen und Landräte – ist kein Selbstzweck, sondern soll die gesellschaftliche Relevanz des Themas unterstreichen. Der Raum vermittelt Grundlagenwissen ebenso wie technische Abläufe und vernetzte Denkweisen. Dabei soll der Showroom nur ein Teil eines größeren Konzepts sein: Unterrichtsräume werden angepasst, Unterrichtsmodule neu gedacht, Technik und Pädagogik verknüpft.

Europäische Bildungskooperation im Bereich Wasserstoff stärken

Isolde Fleuchaus sieht die Lernwerkstatt als langfristiges Projekt. Auch gegen kurzfristige politische Widerstände: „Wasserstoff hat eine Zukunft – wie auch immer.“ Für sie steht fest: Die Schule hat den Auftrag angenommen, junge Menschen auf die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte vorzubereiten. „Die zukünftigen Generationen sollen hier lernen, Antworten zu finden auf die Fragen, die wir ihnen hinterlassen.“