Nach anfänglich kruden Rechtfertigungen trägt die Entschuldigung des Aiwangers taktische Züge. Das reicht nicht. So kann er nicht im Amt bleiben, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach.
Die Veränderung im Ton ist deutlich, als Hubert Aiwanger vor die Kameras tritt. Der bayrische Vize-Ministerpräsident hatte zuletzt alle Antisemitismus-Vorwürfe als „Schmutzkampagne“ abgetan. Nun sagt er: Er bereue zutiefst, wenn er durch sein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen ihn aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe. Vom Inhalt des Flugblatts distanziere er sich. Zudem könne er sich nicht erinnern, je einen Hitlergruß gezeigt zu haben. Er sei kein Antisemit und kein Menschenfeind. Auch wenn man ihm das glauben mag, so scheint klar, dass er sich früher antisemitisch geäußert hat. Denn die Möglichkeit, dass sich alle Vorwürfe gegen ihn als haltlos erweisen, geht gegen null. Aiwanger hatte selbst zuvor gesagt, manche Äußerung aus seiner Jugendzeit könne „so oder so“ interpretiert werden.
Die Entschuldigung wirkt taktisch getrieben. Aufrichtig wirkt sie nicht. Es geht um die Frage: Ist man bereit die Konsequenzen für seine Handlungen zu tragen? Vergangene Verfehlungen können vergeben werden – wenn man offen und transparent mit ihnen umgeht. Joschka Fischer (Grüne) distanzierte sich glaubhaft von seiner Zeit als gewalttätiger Straßenkämpfer und entschuldigte sich. Er wurde Außenminister und Vize-Kanzler. Diese kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit sucht Aiwanger offenbar nicht. Er sagt, er habe den Eindruck, er solle fertig gemacht werden.
Der Vorwurf des Antisemitismus und des Verharmlosens der nationalsozialistischen Verbrechen wiegt schwer. Deswegen darf nicht stellvertretender Ministerpräsident sein, wer sich nicht kritisch mit den eigenen Fehlern auseinandersetzt. Trotz der späten Reue kann Aiwanger nicht im Amt bleiben. Er sollte selbst zurücktreten. Tut er es nicht, muss Ministerpräsident Söder für seine Entlassung sorgen.