Weggeworfene Lebensmittel sollen künftig straffrei aus Abfallbehältern geholt werden können. Foto: dpa/Christiane Raatz

Das Retten weggeworfener Lebensmittel könnte künftig nicht mehr unter Strafe stehen. Die Umsetzung ist aber noch ungeklärt, zudem gibt es von verschiedenen Seiten Kritik an dem Vorhaben. Ein Überblick.

Containern könnte demnächst legal werden: Wer entsorgte Lebensmittel aus den Abfallbehältern von Supermärkten holt, soll nach dem Willen von Justiz- und Landwirtschaftsministerium künftig dafür nicht mehr bestraft werden. Die Umsetzung ist jedoch vorerst nur auf Länderebene geplant – und es gibt auch grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben. Ein Überblick.

Wie ist die Rechtslage?

Derzeit ist Containern in Deutschland strafbar. Die Entnahme von Lebensmitteln aus Abfallcontainern von Supermärkten gilt laut Strafgesetzbuch als Diebstahl – Grundlage ist das Eigentumsrecht: Da die Container meist auf einem Grundstück des Handelskonzerns stehen, gehören auch ihre Inhalte bis zum Abholen durch die Müllentsorgung formal den Konzernen. 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtslage bestätigt – zugleich aber auf den Spielraum des Gesetzgebers für die Einführung sinnvollerer Lösungen verwiesen. Schließlich seien die entwendeten Lebensmittel ohnehin zur Vernichtung bestimmt.

Welche Änderungen sind geplant?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wollen das Containern künftig legalisieren. „Wer Lebensmittel vor der Tonne rettet, sollte dafür nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden“, sagt Özdemir. Zudem plädieren die beiden Minister dafür, dass laufende Strafverfahren wegen Containerns eingestellt werden – sofern es der jeweilige Einzelfall zulasse.

Es soll aber auch weiterhin Grenzen geben. „Dort, wo ein Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung begangen werden, muss das Strafrecht das sanktionieren“, sagt Buschmann. Konkret bedeutet das: Wer auf dem Weg zu einem Abfallcontainer zum Beispiel über eine niedrige Mauer steigt, dürfte nicht belangt werden – wer aber ein Schloss aufbricht oder den Container beschädigt, muss mit einer Strafe rechnen.

Wie soll das Vorhaben umgesetzt werden?

Die Änderung soll auf Länderebene vollzogen werden. Buschmann und Özdemir haben sich in einem Schreiben an die Justizminister und -senatoren der Bundesländer gewandt, in dem sie um die Unterstützung eines Vorschlags aus Hamburg werben. Dieser sieht eine Anpassung der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren vor, die ohne eine Gesetzesänderung auf Bundesebene von den Ländern beschlossen werden könnte.

In anderen europäischen Ländern gibt es indessen weitreichendere Gesetze auf nationaler Ebene – in Frankreich beispielsweise sind größere Supermärkte dazu verpflichtet, aussortierte Nahrungsmittel an Bedürftige oder gemeinnützige Organisationen weiterzugeben.

Was sind die Kritikpunkte?

Aus Sicht des Bundesvorsitzenden der Tafeln, Jochen Brühl, geht die Maßnahme an den eigentlichen Problemen vorbei. „Eine Strafbefreiung für das Containern hilft weder gegen Armut noch ist das eine hilfreiche Lösung auf dem Weg zu weniger Lebensmittelverschwendung“, sagte Brühl unserer Redaktion. Sinnvoller seien Bildungskampagnen und Aufklärungsangebote.

Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) kritisiert das Vorhaben als unnötig und gefährlich gleichermaßen. Der Verzehr von entsorgten Lebensmitteln sei unter anderem aufgrund möglicher Glassplitter und Warenrückrufen potenziell gesundheitsgefährdend, sagte ein Sprecher des Verbands unserer Redaktion. Zudem könne der Verschwendung durch die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen weitaus effizienter vorgebeugt werden.