Mit einem Ratespiel macht Deutschlernen gleich mehr Spaß. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

An der Ameisenbergschule in Stuttgart lernen Kinder unterschiedlicher Nationen in vier Vorbereitungsklassen erst mal Deutsch – auch Kinder aus der Ukraine. Kultusministerin Schopper schaute, wie. Doch allein in Stuttgart warten 150 Kinder auf einen Schulplatz.

Der Russland-Ukraine-Krieg hat der Ameisenbergschule im Stuttgarter Osten nahezu auf einen Schlag 30 neue Schulkinder beschert – und seit einer Woche auch zwei zusätzliche Vorbereitungsklassen (VKL). „Wir nehmen täglich neue Kinder auf“, berichtet die Grundschulleiterin Katja Conzelmann. Zwar stammen ihre 293 Schüler ohnehin aus 34 Nationen. Sie räumt aber ein: „Gerade ist es schon eine Herausforderung.“ Davon wollen sich am Montagmorgen auch die Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne), die Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne), die Schulamtsvize Birgit Popp-Kreckel und die Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) ein Bild machen.

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„Könnt ihr schon zählen?“, fragt Fezer die 13 Kinder aus der Grundschul-VKL. Aber klar doch. Das hat die italienischstämmige Deutschlehrerin Marzia Alesi ihren Schützlingen aus Spanien, Belarus, Bosnien, Serbien, Afghanistan und Indien schon beigebracht, auch wenn die gerade mal zwei, fünf oder sieben Monate in Deutschland sind. Manche können sogar schon ganze Sätze auf Deutsch. Die Kinder aus der Ukraine sind erst seit zwei Wochen da, mussten sich dran gewöhnen, dass sie ihr Schulvesper hier selber mitbringen müssen, und werden erst mal mitgezogen.

Eine Lehrerin aus der Ukraine unterrichtet die Vorbereitungsklasse

Nebenan, in der vor einer Woche neu eingerichteten VKL für die Zehn- bis 14-Jährigen, geht es munter zu. Man spricht Ukrainisch. Und Deutsch verstehen einige auch schon ein bisschen. Schopper erfährt auf Nachfrage, dass die ukrainischen Flüchtlinge durchaus an das Arbeiten mit Laptop gewohnt sind. Und auf ihre Frage, ob ihnen das Deutschlernen schwerfalle – „die Schrift ist doch schwierig“, kommt ein spontanes „Njet“ von den Kindern. Denn schließlich kennen sie die schon aus dem Englischunterricht. Und jetzt werden sie von Mariia Frelik unterrichtet. Die 29-jährige Ukrainerin kam 2018 aus Charkiw, war dort Mathe- und Grundschullehrerin und absolviert gerade an der PH Ludwigsburg ihr Nachstudium für die Anerkennung in Deutschland. Dass hierzulande händeringend Lehrkräfte gesucht werden, erfuhr sie über Facebook.

Ein Glücksfall. Auch drei weitere Lehrkräfte habe man für die VKL gewinnen können, so Birgit Popp-Kreckel. Das bedeutet 80 Schulplätze. Doch in der Sekundarstufe stünden noch 150 Jugendliche auf der Warteliste. „Wir versuchen, Klassen aufzustocken“, so die Schulamtsfrau. „Der Druck ist enorm.“ Die Planung sei schwierig. Bis Ostern müssten die Schulämter ihre Bedarfsplanung für reguläre Lehrerstunden abgeben. Das Ziel sei ja, möglichst viele Kinder möglichst rasch von den VKL in Regelklassen zu überführen. Doch wie viele, wie schnell und für wie lange, das weiß derzeit niemand.

Kritik an der Bürokratie bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Fezer wirft ein: „Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist ein Nadelöhr.“ Andreas Stoch, der Chef der SPD-Landtagsfraktion, geht noch weiter. Er erklärt per Pressemitteilung, der Besuch der Kultusministerin an der Ameisenbergschule gehe „völlig an der Lage vorbei – die Kultusministerin verhindert mehr Vorbereitungsklassen für Kinder aus der Ukraine.“ Denn viele Lehrer aus der Ukraine bekämen hier keine Arbeitsverträge, weil ihnen Freistellungen ihrer bisherigen Schulen fehlten, Führungszeugnisse, Seminarscheine. Das bremse potenzielle Lehrpersonen aus, so Stoch. Das Ministerium kontert: Mit dem neuen Registrierungsportal für Unterstützungspersonal habe man fast 1100 Personen gefunden. Wegen der Dringlichkeit genüge bei den geflüchteten Lehrern aus der Ukraine die erste Masernimpfung und eine Selbsterklärung statt des Führungszeugnisses. An der Ameisenbergschule erklärt Susanne Bay der Bürgermeisterin zu diesem Thema: „Wir handhaben das pragmatisch.“ Aber, so die Regierungspräsidentin: „Gewisse Sprachkenntnisse muss man gewährleisten.“

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Flüchtlingsklassen an weiteren sieben Schulen in Stuttgart geplant

Wie dringend zusätzliche Lehrer gebraucht werden, belegen die Zahlen: Stuttgart hat laut Fezer mehr als 3000 Flüchtlinge aufgenommen, davon fast ein Drittel Schulkinder. Landesweit besuchen rund 8000 geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine Schulen. In Stuttgart gibt es bereits 50 VKL mit 800 neu zugewanderten Kindern, allerdings nicht nur aus der Ukraine. Noch dieses Schuljahr sind weitere VKL geplant: an der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule, Schloss- und Brunnen-Realschule, Falkert-, Salzäcker-, Riedsee- und Pragschule.