Die Musikbox darf bei der ÖFB-Auswahl auch auf dem Rasen nicht fehlen. Foto: imago//Daniela Porcelli

Österreichs Fußballerinnen spielen im EM-Viertelfinale gegen Deutschland. Einer ihrer größten Trümpfe ist eine ansteckende Fröhlichkeit, die beim Sturm einer Pressekonferenz besonders deutlich wird.

Inzwischen haben sie nach einem fast abgehoben anmutenden Küsten-Abstecher in die Gay- und Party-Hochburg Brighton alle wieder Boden unter den Füßen; die österreichischen Fußballerinnen, die ihr EM-Quartier im Pennyhill Park, fast eine Autostunde westlich von London aufgeschlagen haben. Hier finden täglich Medienrunden unter freiem Himmel statt, in denen es nur noch ein Thema gibt: das EM-Viertelfinale gegen Deutschland (Donnerstag, 21 Uhr/ARD). Ein Prestigeduell, das eine riesige Vorfreude in Österreich weckt. ORF1 hat schon bei den bisherigen EM-Übertragungen Marktanteile von stolzen 40 Prozent erreicht, nun kündigt sich eine Rekordquote für ein Frauen-Länderspiel an.

Eine dritte Halbzeit, die keine Thekenmannschaft am Ballermann besser hinbekommen hätte

„Absolut fantastisch. Es ist sensationell, dass wir wieder unter den besten Acht in Europa sind. Unsere Spielerinnen brennen auf das Spiel gegen Deutschland“, erklärte Teamchefin Irene Fuhrmann am Freitagabend, als ihr lebensfrohes Ensemble mit einer taktischen Meisterleistung den zweifachen Europameister Norwegen (1:0) beherrschte. Der „Aufstieg“, wie sie in der Alpenrepublik sagen, macht Lust auf mehr. „Wir werden kämpfen bis zum Schluss und uns für unser kleines Land aufopfern“, ergänzte Siegtorschützin Nicole Billa. Kaum hatte sie das Versprechen abgegeben, stürmte eine singende Meute in den Pressekonferenzraum des Falmer Stadium. Kunststoff-Warnschilder („Caution Wet floor!“) wurden als Klatschinstrumente zweckentfremdet. „Strong Enough“ von Cher dröhnte aus den Lautsprechern einer Musikbox.

Diese riesige Anlage, laut wummernd und bunt blinkend, hatte der Spaßtrupp bis in die Heimat des Premier-League-Klubs Brighton & Hove Albion geschleppt, um eine dritte Halbzeit zu inszenieren, die keine Thekenmannschaft am Ballermann besser hinbekommen hätte. Nur kamen die Österreicherinnen eben ohne jeden Tropfen Alkohol aus; es gab nicht mal einen Spritzer Sekt. Nach Schlusspfiff bildeten alle Spielerinnen, der gesamte Staff eine lange Reihe, um die inoffizielle Nationalhymne „I am von Austria“ von Rainhard Fendrich zu schmettern. Und dann war da auch noch ein Stuhl, mit dem Barbara Dunst den Champions-League-Jubel ihres Landsmannes David Alaba imitierte. „So eine EM ist nur einmal, gut vielleicht auch zwei- oder dreimal im Leben. Aber wir haben uns vorgenommen, diese Momente zu genießen. Jede soll nachher sagen: Es war eine geile Zeit“, erklärte Billa von der TSG Hoffenheim.

Die Defensive bleibt das Prunkstück

Fuhrmann begrüßte die ulkigen Rituale ausdrücklich, die mindestens so gut einstudiert wirkten wie so mancher Spielzug: „Wir haben für uns ein klares Motto: Wir wollen die Euro als absolute Belohnung sehen. Wenn wir verkrampft wären, dann könnte nicht solch eine Leistung herauskommen.“ Die 41-Jährige wünscht sich, dass sich ihre Spielerinnen als „Role Models“ etablieren, „weil wir als Nationalmannschaft so viel Positives verkörpern.“ Und damit, so hofft die Wienerin, könnte man endlich die Zahl der Fußballerinnen erhöhen.

Schon bei der EM 2017 hatte sich die Nation von einer ÖFB-Auswahl begeistern lassen, deren Polonaise durch die Stadionkatakomben erst im Halbfinale endete. Mögen die Feierlichkeiten noch genauso aussehen wie in den Niederlanden, hat sich der Spielstil in England weiterentwickelt. „2017 haben wir schon gut verteidigt, aber da haben wir nur verteidigt“, sagte Abwehrchefin Carina Wenninger. Der Kader ist breiter bestückt, besitzt in der Offensive mehr Optionen. Aber die Defensive bleibt das Prunkstück: In acht EM-Partien 2017 und 2022 nur zwei Gegentore kassiert zu haben, spricht für eine exzellente Organisation und enorme Disziplin im Spiel gegen den Ball.

Erfolgsformel: Professionalität gepaart mit Spaß

Zudem ist es für die Begegnung gegen die „Übermacht Deutschland“ (Fuhrmann) bestimmt kein Nachteil, dass 13 Akteurinnen in der Frauen-Bundesliga unter Vertrag stehen. Stammkräfte wie Verena Hanshaw, Laura Feiersinger und Dunst von Eintracht Frankfurt hieven sich in der „eingeschworenen Gemeinschaft“ (Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg) ebenso auf ein höheres Niveau wie ein ehemaliges Trio vom FC Bayern: Wie die zu AS Rom verliehene Wenninger sind auch die Keeperin Manuela Zinsberger (Arsenal WFC) und Kapitänin Viktoria Schnaderbeck (Tottenham Hotspur) jetzt beseelt davon, „gegen die halbe Bayern-Mannschaft zu spielen“ (Wenninger).

„Das Miteinander im österreichischen Nationalteam ist großartig“, glaubt Frankfurts Sportdirektor Siegfried Dietrich als Sprecher des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen. „Deutschland ist sicher der Favorit, aber die österreichischen Mädels werden sich viel zutrauen.“ Sie allein auf ihre Rolle als Feierbiester zu reduzieren, würden ihren sportlichen Qualitäten kaum gerecht. Professionalität gepaart mit Spaß sei die Erfolgsformel, findet Schnaderbeck: „Auf dem Platz sind wir immer professionell. Aber daneben sind wir eben so. Wenn du Spaß hast, wirst du happy. Und dann wirst du leistungsstärker.“ Kaum hatte sie das ausgesprochen, zog sie Stimmungskanone Zinsberger an den Haaren zur nächsten Tanzeinlage. Es wird unterhaltsam, wenn der fröhlichste EM-Teilnehmer den Rekordeuropameister fordert. Die leistungsstärkere Musikbox bringen die Österreicherinnen auf jeden Fall mit ins Community Stadium von Brentford.