Heue beginnt der Bundesparteitag der Linken. Er soll im Zeichen neuer Geschlossenheit stehen. Im Gespräch mit unserer Zeitung wirbt der Vorsitzende Martin Schirdewan um neues Vertrauen.
Herr Schirdewan, wie groß ist die politische Schwächung, die aus dem Verlust des Fraktionsstatus der Linken erwächst?
Natürlich ist das ein Verlust für die Partei. Aber der Beschluss vom Dienstag hat endlich klare Verhältnisse geschaffen. Jetzt können wir wieder seriös planen und geschlossen auftreten. Besser 28, die miteinander arbeiten, als 38, die sich gegenseitig blockieren. Ich bin zuversichtlich, dass es uns mit unserer linken Gruppe im Bundestag gelingt, wieder erkennbar zu sein.
Die Wähler werden bald zwei Angebote auf der linken Seite des politischen Spektrums haben: Das Wagenknecht-Bündnis und die Linke. Welches Kriterium zeigt, was das Original linker Politik ist und was die Fälschung?
Noch hat der Wagenknecht-Verein ja weder ein politisches Programm, noch gibt es diese Partei. Wir Linken unterbreiten ein Angebot aus eigener Stärke, nicht um uns abzusetzen: Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit, wir stehen für Umverteilung von oben nach unten und von privatem zu öffentlichem Eigentum. Wir sind aber auch die Partei der Solidarität – auch mit Migranten und Flüchtlingen. Die klare Kante gegen rechts unterscheidet uns inzwischen leider von allen anderen Parteien. Da wackeln wir nicht. Und wir sind die Partei der Diplomatie und des Friedens. Wir drängen auf eine friedliche, auf diplomatischen Prinzipien basierende Ordnung und sind gegen Aufrüstung von der vor allem Rüstungskonzerne profitieren. Und wir misstrauen allen Kooperationen mit Diktaturen und Autokraten.
Die Linke steht vor einem wichtigen Parteitag. Was muss er leisten, damit er erfolgreich ist?
Dieser Parteitag gibt das Startsignal für eine erneuerte und gestärkte Linke. Wir werden eine starke Liste für die Europawahl aufstellen. Und wir werden eine Kultur des Respekts, der Geschlossenheit und der solidarischen Debatte pflegen. Wir setzen zwei Botschaften: Die Linke ist geschlossen. Und wir sind entschlossen im Kampf für ein soziales, friedvolles und solidarisches Europa. Wir haben keine Angst, uns mit den Reichen und Mächtigen anzulegen.
Viele Mitglieder und Sympathisanten der Linken waren jahrelang enttäuscht von den Dauerstreitigkeiten in der Partei. Können Sie die zurückholen?
Ich habe einen Appell an unsere Freunde und Mitglieder: Jetzt haben wir die Chance, wieder nach vorne zu gehen, unsere politische Rolle in der Gesellschaft wieder besser auszufüllen. Das haben wir uns fest vorgenommen. Kommt wieder zu uns, macht mit uns gemeinsam Politik für soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden. Die Partei freut sich darauf, mit neuer Kraft und vielen neuen Mitgliedern wieder in die Offensive zu kommen.
Spüren Sie denn bei der Mitgliederentwicklung positive Effekte?
Ganz eindeutig. Nach dem Austritt Sahra Wagenknechts haben wir viele Hundert neue Mitglieder gewonnen. Dabei übersteigen die Eintritte die Austritte, die es auch gibt, ganz deutlich.
Welche zentralen politischen Forderungen sollen die Linke denn tagespolitisch wieder erkennbar machen?
Die Bekämpfung von Ungleichheit und Armut in der Gesellschaft ist unser zentrales Anliegen. Da geht es um alle Facetten. Dazu gehört der Kampf gegen Energiearmut und explodierende Lebensmittelpreise. Dazu gehören gut bezahlte Jobs. Dazu gehört eine Umverteilung des Reichtums. Wir müssen die krisenbedingten Übergewinne der Konzerne abschöpfen. Wir brauchen eine Mindeststeuer für transnationale Unternehmen, nach unserem Vorschlag von 25 Prozent. Wir brauchen eine Vermögenssteuer und eine Vermögensabgabe für Milliardäre und ein Ende der Schuldenbremse. So schaffen wir Kapazitäten für Zukunftsinvestitionen. So können wir zum Beispiel Klimaschutz sozial gestalten. Wir verteidigen als letzte Partei im Bundestag Menschenrechte wie das individuelle Recht auf Asyl. Migranten dürfen nicht zu Sündenböcken schlechter Politik gemacht werden. Und schließlich werden wir immer wieder von der Bundesregierung einfordern, dass sie globale Krisen diplomatisch löst, statt kopflos aufzurüsten.