Die Hebammen an der Nürtinger Medius Klinik (Kreis Esslingen) wechseln von der Anstellung in die Selbstständigkeit. Diese Veränderung haben die Hebammen selbst angestoßen. Sie erhoffen sich davon mehr Zufriedenheit im Beruf.
Zum 1. Oktober hat die Medius Klinik Nürtingen ein neues Modell in der Geburtshilfe eingeführt: 22 Hebammen, die bisher fest im Krankenhaus auf dem Säer angestellt waren, sind in die Freiberuflichkeit gewechselt und begleiten die Geburten im Kreißsaal nun als sogenannte Dienst-Beleghebammen eigenverantwortlich. Die enge Zusammenarbeit mit der Klinik und ihrer gesamten ärztlichen Infrastruktur bleibt indes bestehen.
Für die werdenden Mütter ist diese organisatorische Veränderung eher nicht sichtbar: Die Schwangeren kommen weiterhin zur Entbindung in die Medius Klinik, wo es wie bislang auch einen Schichtdienst der Hebammen sieben Tage die Woche rund um die Uhr gibt. Als Freiberuflerinnen organisieren sie ihren Dienst im Kreißsaal nun jedoch komplett selbst, erklärt Birgit Frantz, eine der Hebammen, die Neuerung. „Durch die Umstellung haben wir mehr Flexibilität in der Gestaltung unserer Arbeitszeiten und können uns noch intensiver auf die Gebärenden konzentrieren.“
Viele Kliniken haben Beleghebammensystem
Das Modell geht auf die Initiative der Nürtinger Hebammen zurück. Gut ein Jahr lang hätten sie auf die Umsetzung hingearbeitet, sagt Frantz. In zahlreichen Kliniken in Deutschland sei das Beleghebammensystem schon seit langem etabliert. „Wir haben uns viele Anregungen geholt, das Für und Wider gründlich abgewogen.“ Doch warum geben sie die Sicherheiten des öffentlichen Dienstes auf zugunsten einer freiberuflichen Tätigkeit, in der sie die Kosten für Haftpflicht-, Sozial- und Rentenversicherung sowie das unternehmerische Risiko selbst tragen müssen? „Für uns reduziert sich dadurch der Stress im Klinikalltag“, sagt Frantz, die fast 40 Jahre Berufserfahrung als angestellte Hebamme vorweisen kann.
Wann Kinder das Licht der Welt erblicken möchten, ist nun mal nicht planbar. „Es kommt, wie es kommt“, beschreibt sie ihren von Überstunden geprägten Dienst. Und so kann es im Kreißsaal schon mal hoch hergehen, mitunter müssen sich Hebammen gleichzeitig um drei oder mehr Frauen kümmern. Während es für festangestellte Hebammen laut Frantz keinen festgelegten Betreuungsschlüssel gibt, ist die Geburtshilfe durch Beleghebammen gesetzlich geregelt: Eine von ihnen darf maximal zwei Schwangere gleichzeitig betreuen. Dadurch bleibt ihnen mehr Zeit für eine individuelle Betreuung der werdenden Mutter bei der Geburt.
Krankenhaus und Hebammen sollen profitieren
„Bei viel Arbeit kann man jetzt auch noch jemanden dazu holen“, ergänzt Frantz. Dafür stehe eine weitere Hebamme im Bereitschaftsdienst zur Verfügung. Das sei eine große Erleichterung. Denn eine Geburt könne sich schon mal über viele Stunden, manchmal auch länger als einen Tag hinziehen. „Diese Betreuung kann niemand allein leisten. Es ist gut, wenn man dann von einer Kollegin abgelöst wird.“
Auch das Abrechnungssystem sei einer der Vorteile in der Selbstbestimmtheit, fügt Frantz hinzu. Während bei festangestellten Hebammen das Krankenhaus von den Kassen eine Pauschale für deren Arbeit erhält und ihnen ein festes Gehalt zahlt, rechnen die Nürtinger Beleghebammen ihre Leistungen jetzt über ein Abrechnungszentrum direkt mit den Kostenträgern ab. Dadurch können sie in der Regel etwas mehr verdienen, ist ihre Hoffnung.
„Für uns bedeutet das Modell mehr Zufriedenheit im Beruf“, sind Birgit Frantz und ihre Kolleginnen überzeugt. Und auch das Krankenhaus würde davon profitieren: Es erhalte zwar weniger Geld, spare dafür aber bei den Personalkosten.