Seit Freitag berichtet Carla-Josephine S., was ihr als einst überzeugter Salafistin während fast fünf Jahren in Syrien widerfahren ist. Foto: dpa/Bernd Thissen

Sie folgte dem Ruf des Kalifats aus dem Ruhrgebiet mit drei kleinen Kindern nach Syrien, wurde Frau mehrerer IS-Männer. Ihr kleiner Sohn überlebte die Zeit nicht. Nun steht eine Oberhausenerin als IS-Terroristin vor Gericht - und sagt umfassend aus.

Düsseldorf - Eine Tages habe ein IS-Mann an ihre Tür geklopft und ihren Sohn verlangt: „Wir brauchen einen deutschen Jungen für ein Hinrichtungsvideo“, habe er gesagt. „Hamza ist nicht da“, habe sie gelogen. Da sei ihr klar geworden: „Irgendwann wird der IS meinen Sohn rekrutieren, und dann wird er kämpfen müssen.“ Seit Freitag berichtet die 32-jährige Oberhausenerin Carla-Josephine S. vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht, was ihr als einst überzeugter Salafistin während fast fünf Jahren in Syrien widerfahren ist - ausführlich, stundenlang, zeitweise tränenerstickt.

Vor fünf Jahren setzte sich die Oberhausenerin heimlich mit ihren drei kleinen Kindern nach Syrien ins IS-Gebiet ab - gegen den Willen ihres Ehemannes. Das wertet die Bundesanwaltschaft nun als Entziehung Minderjähriger - in Hamzas Fall mit Todesfolge.

Ihr Mann habe sie geschlagen und eingesperrt, sagt sie. „Ich wollte in erster Linie aus Deutschland raus. Das war der größte Fehler, den ich machen konnte. Aber in unseren salafistischen Kreisen hat man nicht so viel Schlechtes von Syrien gehört.“ Ihre beste Freundin und weitere Bekannte seien dorthin gegangen und hätten dort zeitweise „ganz normal gelebt“.

Vom Gymnasium war sie im Ruhrgebiet auf die Gesamtschule gewechselt, habe dann als Kinderbuch-Illustratorin und auf einem Ponyhof gearbeitet.

2005 sei sie zum Islam konvertiert und strenggläubige Salafistin geworden, habe die Burka getragen. Sie habe nicht wie ihre dominante Mutter werden wollen, deren Beziehungen zerbrochen seien, berichtet sie. „Wenn eine Frau dem Mann gehorcht, wäre das besser, habe ich gedacht.“

Nach der Sache mit dem Video habe sie, aller früheren Sympathie für den IS zum Trotz, aber nur noch weg gewollt aus Syrien. Nur wie? „Die aufgespießten Köpfe am Kreisverkehr - von Leuten, die fliehen wollten - das war schon beängstigend.“ Ein erster Versuch scheiterte: „Ich bekam 30 Stockhiebe und wurde mit heißem Wasser übergossen.“

„Ich war vom IS überzeugt“

„Wenn du abtrünnig wirst, richten wir dich hin, und deine Kinder werden Sklaven“, habe die Miliz ihr gedroht. Aber nicht immer sei ihre Einstellung zum IS so kritisch gewesen wie heute: „Ich war vom IS überzeugt“, gibt sie zu. „Das Kalifat hat schon großen Anreiz für mich gehabt.“

Der Reiz sei nach der ersten Bombardierung verflogen, aber es habe kein Zurück gegeben. Laut Anklage ließ sie ihren sechsjährigen Sohn vom IS zum Kindersoldaten ausbilden und von der Religionspolizei züchtigen. Sie sei dagegen gewesen, habe es aber nicht verhindern können, sagt sie.

Nach ein paar Tagen sei Hamza wieder da gewesen. Der Emir habe gesagt, er sei noch zu klein. Doch 2018 starb der kleine Hamza auf der Flucht vor heranrückenden Truppen bei einem Raketenangriff. Sie selbst sei bewusstlos gewesen und habe das erst Tage später erfahren.

Laut Anklage schloss sich die Deutsche in Syrien der Frauen-Kampfeinheit „Katiba Nusaiba“ des Islamischen Staates an - und wurde damit IS-Terroristin. Ein halbes Dutzend Straftaten listen die Ankläger zu Lasten der Frau auf. Ihr drohen nun bis zu 15 Jahre Haft.

Bei der 32-Jährigen handelt es sich um eine der ersten mutmaßlichen IS-Anhängerinnen, die mit Hilfe des Auswärtigen Amtes aus dem Nahen Osten zurückgebracht wurden. Anfang April 2019 traf sie am Stuttgarter Flughafen ein und wurde sofort festgenommen. Das Gericht hat für den Prozess elf Verhandlungstage angesetzt.