Der Rettungsdienst im Einsatz: Nur Ärzte dürfen medizinisch-invasive Eingriffe durchführen. Foto: SDMG/Woelfl

Wenn Notfallsanitäter bei einem Herzstillstand Adrenalin verabreichen, bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone. Ein virales Internetvideo beschäftigt sich mitunter mit dieser Thematik. Zuspruch gibt es von der Feuerwehr Stuttgart.

Stuttgart - Notfallsanitäter müssen einiges aushalten: Pöbeleien, Gaffer, Stress durch lebensbedrohliche Situationen – hinzu kommen Schichten zu allen Tag- und Nachtzeiten. Da sind andere Schwierigkeiten manchmal nur mit Humor zu ertragen. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Youtube-Video, das mittlerweile über 180.000 Aufrufe erreicht hat. In rot-gelber Sanitäterjacke singt darin ein in Niedersachsen tätiger Mann über seinen Beruf als Notfallsanitäter.

Besonders stört ihn, dass für seine Berufsgruppe keine Rechtssicherheit herrsche. „Würd’ Ihnen die Schmerzen ja gern nehm’/Da kann ich Sie verstehn‘/Doch danach lande ich vor Gericht“ heißt es in dem Lied. Oft sind die Sanitäter nämlich zuerst am Einsatzort – befinden sich rechtlich jedoch in einer schwierigen Lage. Einerseits sind sie verpflichtet, lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, auf der anderen Seite sind per Gesetz lediglich ausgebildete Ärzte zu medizinisch-invasiven Eingriffen befugt.

“Krankenwagenbelademeister“

Dementsprechend ist schon eine Gabe von Schmerzmitteln bis zum Eintreffen des Notarztes problematisch. Auch wenn Patienten einen Herzstillstand erleiden, müssen Notfallsanitäter rechtlich gesehen auf eine potenziell lebensrettende Verabreichung von Adrenalin verzichten und auf einen Arzt warten. Ein Sprecher der Branddirektion Stuttgart spricht in diesem Fall von einer „rechtlichen Grauzone“. Adrenalin werde im täglichen Tun natürlich verabreicht, allerdings sei bis jetzt der Fall: „Es mussten immer alle Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden.“ Scherzhaft bezeichnet sich Haehne in dem Lied daher auch als „Krankenwagenbelademeister“.

Aus unserem Plus-Angebot: Ein Notfallsanitäter packt aus

Dabei werden Notfallsanitäter laut dem Sprecher „zum Arbeiten auch ohne Arzt und der Gabe von über 20 Medikamenten ausgebildet und staatlich geprüft“. Nur anwenden dürften sie diese Fähigkeiten „aufgrund der fehlenden Rechtslage“ meistens nicht. Das Resultat: Beschwerden von Patienten und Angehörigen an das Personal. „Wieso helfen Sie denn nicht“, heiße es dann manchmal, sagt der Sprecher.

Notfälle, die keine Notfälle sind

Ein anderes Problem, das auch Haehne in seinem Lied besingt, behandelt das Fahren der Sanitäter zu Notfällen, die eigentlich keine wirklichen Notfälle seien. Die Gründe für betroffene Menschen, die Sanitäter in solchen Fällen trotzdem zu rufen, liegen laut dem Sprecher der Branddirektion unter anderem an der „Unwissenheit über die eigene Gesundheit und die selbst zu ergreifenden medizinischen Mittel“. Vielen Menschen sei außerdem nicht klar, dass es außer dem Notruf andere Angebote, wie Notfallpraxen oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst, gebe. „Auch mögliche rechtliche Konsequenzen für die Leitstellendisponenten führen hier zur Unsicherheit und eventuell unnötigen Einsätzen.“

Bereits im Oktober hatte der Bundesrat Nachbesserungen und Rechtssicherheit für Notfallsanitäter gefordert. Nachdem der Änderungsantrag der Bundesregierung vor dem Gesundheitsausschuss aber auf heftige Kritik der Rettungsdienste gestoßen war, stoppten Union und SPD ihre Gesetzesinitiative. Nun wollen sie erneut den Dialog suchen, um eine „für alle Seiten tragfähige Lösung“ zu finden, wie es in einer Stellungnahme heißt. Für den Sprecher der Branddirektion ist derweil klar: „Wünschenswert wäre eine klare rechtliche Freigabe und Absicherung der im Ausbildungsgesetz erlernten Fähigkeiten [...].“