Kunstwerke, Vintagemode, Versteinerungen: das Sortiment kennt kaum Grenzen. Foto: Stoppel

Zum Nachtflohmarkt in Schorndorf strömen jedes Mal unzählige Menschen. Was ist das Besondere an dem Event? Wir haben uns dort umgesehen.

Schnäppchen, soweit das Auge reicht: Dass der Nachtflohmarkt im Club Manufaktur in Schorndorf extrem beliebt ist, hat sich auch am Freitag wieder gezeigt. Dort, wo sonst Jazzer und Rocker auftreten und Lesungen, Vorträge und Workshops stattfinden, drängeln sich bei dieser Gelegenheit Schnäppchenjäger. Das Credo: Hobbyhändler statt Profis, Wiederverwenden statt Kohle scheffeln. Das Ganze, der Name verrät es schon, abends und drinnen. Draußen vor dem Eingang werden derweil Flammkuchen und Heißgetränke serviert, auch drinnen gibt es Erfrischungen. Der Markt hat echten Eventcharakter.

Dem Sortiment beim Nachtflohmarkt sind keine Grenzen gesetzt. Schuhe und Klamotten, DVDs, Bücher und Spielsachen reihen sich an Musikinstrumente und Schmuck. Irgendwo hängt ein Krokodilskostüm, auf den Tischen stehen Geo-Ausgaben von 1997 oder ein Englisch-Wörterbuch, aus den 1950er Jahren. Retro liegt im Trend, auch bei jungen Leuten. Und so zieht im Gedränge eine Zehnjährige strahlend mit einem knallbunten Rock von dannen. Ein Schnäppchen für vier Euro, super erhalten.

Beim Nachtflohmarkt gibt es kleine Schätze aus alten Zeiten

Auch Lilly und Maribel, beide 16 Jahre alt, haben Beute gemacht. Vor allem Lilly hat zugelangt: in den Händen hält sie eine Schallplatte, Avantgarde-Funk aus den 1980ern. „Ich habe auch mehrere Mützen und ein Shirt gekauft“ , erzählt sie. „Man fühlt sich ein bisschen wie in einem Museum“, findet ihre Freundin Maribel. Deren Mutter Kathi (41) meint: „Ziemlich viele alte Leute hier“.

Klaustrophobiker sollte man als Besucher nicht sein. Foto: Gottfried Stoppel
Stimmt. Andererseits: Ohne die ältere Generation wären die Tische auch nicht so voll mit verborgenen Schätzen von anno dazumal. Ein Stockwerk weiter oben etwa bietet eine 80-jährige Dame ihre Sachen zum Verkauf an. Ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen – aber sie erzählt, sie sei schon zum zweiten Mal dabei. „Die meisten Leute hier wollen schon beim Preis handeln, aber sie sind alle sehr nett“, sagt sie. Ihr Sortiment umfasst vor allem Küchenutensilien, Wäsche und Geschirr. Ihre Sachen finden ihre Käufer: Eine hübsche Teekanne aus Paris geht für 15 Euro über den Ladentisch. Vermutlich hängen auch einige Erinnerungen an dem Stück – die sind im Preis inklusive.

Wer sich vom Feilschen erholen will, kann an der Bar des Kinos Kleine Fluchten eine Erfrischung zu sich nehmen. Die beiden Pächter Julia Schiemann und Daniel Gachstatter haben geöffnet und zeigen eine Trailershow mit den Filmen der nächsten Wochen.

Den Nachtflohmarkt in der Manufaktur gibt es seit einigen Jahren – und er wird immer beliebter. Einigen Besuchern wird das fast zu viel. Die Parkplatzsuche in der Dunkelheit, auf Nebenstraßen und Feldwegen und vorbei an Schnäppchenjägern zu Fuß, ist eine ziemliche Odyssee. Auch drinnen merkt man den Andrang deutlich. „Es ist schon sehr überfüllt“, sagt die 16-jährige Lilly. „Man wird teilweise ganz schön herumgeschubst.“ Klaustrophobiker sollte man als Besucher wohl eher nicht sein.

Das Publikum in der Manufaktur Schorndorf ist bunt gemischt

Gute Stimmung bei Kunden und Verkäufern. Foto: Gottfried Stoppel

Ein paar Schubser und hunderte Schnäppchen weiter, zwischen Bühne und Bar, hat Paul Seybold seinen Stand aufgebaut. Auf seinem Tisch liegen vor allem Bücher und Spielsachen – aber eines sticht besonders ins Auge: Die Fossilien. Ammoniten, Belemniten – also frühzeitliche Tintenfische – und versteinerten Krebse und Pflanzen sind viele Millionen Jahre alt. „Natürlich interessiert sowas nicht jeden, aber dann sieht man auf dem Flohmarkt auch mal etwas anderes“, sagt der Remshaldener.

Die Fossilien sind eine Passion von ihm. Er hat sie selbst im Zollernalbkreis und der Fränkischen Schweiz ausgegraben und gibt diese Leidenschaft auch an seine Kinder und Enkel weiter. Kleinere Funde finden sich ganz am Rand seines Tisches – liebevoll in Geschenkverpackungen verhüllt, als Überraschungspäckchen für einen Euro pro Stück. Reich wird Seybold damit nicht, will er auch nicht. „So etwas macht man doch aus Spaß an der Freude“, sagt er. „Die Leute hier sind angenehm, und sie kaufen auch was.“

Die Menschen, da sind sich alle einig, machen den Besuch auf dem Nachtflohmarkt erst recht zu etwas Besonderem. Ein Gothic-Pärchen wühlt neben einer Bunthaarigen in den Vintage-Klamotten, Senioren feilschen mit Teenagern um den richtigen Preis für Vintagemode – und zum Anprobieren, so viel Vertrauen muss sein, geht es mal eben auf die Toilette. „Wenn jemand etwas klauen würde, würde es uns wahrscheinlich gar nicht so sehr auffallen“, verrät eine der Händlerinnen mit einem Augenzwinkern. Derweil strömen die Besucher ein und aus – manche schwer beladen. Ein kleiner Junge probiert seine neue Errungenschaft gleich aus. Das Lichtschwert aus Plastik strahlt mit seinem Gesicht um die Wette – der Nachtflohmarkt hat einen Fan mehr.