Eric Gauthier, Star der weltweiten Tanzszene, versteht jetzt, „was das Jazz-Open-Gefühl ist, das alle lieben“. Bei seinem ersten Besuch des Festivals ist er bei Sting hin und weg. Unter den 7500 Fans jubelt auch Mercedes-Chef Ola Källenius.
An diesem emotionalen Sommerabend ist der Choreograf und Kompaniechef Eric Gauthier mit Blick auf das illuminierte Neue Schloss „böse mit mir selbst“. Böse ist er, weil er als „Music-Lover“ noch nie zuvor die Jazz Open besucht hat – das war „ein großer Fehler“, wie der Publikumsliebling des Balletts sagt.
Seine Premiere bei dem Festival auf dem schönsten Platz der Stadt feiert er am Sonntagabend beim Auftritt des britischen Superstars Sting. „Absolut grandios“ sei die Stimmung, jubelt Gauthier und kann es kaum fassen, „wie die zu dritt so ein Riesenkonzert geben“. Als Teil eines Power-Rock-Trios spielt der Englishman in Stuttgart seine Hits auf neue Weise, aber auch etliche Police-Raritäten in der Besetzung wie in den 80ern: Bass, Gitarre, Schlagzeug – that’s all!
3.0 – so nennt Sting die ganz auf das Wesentliche konzentrierte Live-Band mit seinem langjährigen Weggefährten Dominic „Shape of my Heart“ Miller an der Gitarre und Chris Maas an den Drums, die im Ehrenhof des Neuen Schlosses stürmisch gefeiert wird. „Davon kann ich nur träumen“, sagt Eric Gauthier, „dass ich mit 72 Jahren noch fit bin wie Sting.“ Am liebsten würde sich der Tanzstar niederknien, so begeistert ist er: „Mein Herz ist voll.“ Was sein Festival Colours für die internationale Tanzszene sei, seien die Jazz Open für die internationale Jazz-and-Beyond-Szene. „Stuttgart kann stolz auf so viel Spitzenkultur sein“, findet der Choreograf.
An seinem ersten Abend beim nunmehr 30 Jahre alten Festival erkennt Eric Gauthier: Hier geht es um noch viel mehr als um Musik! Die Jazz Open sind auch eine Plattform zum Netzwerken. Im Business-Bereich werden Pläne geschmiedet und Kontakte vertieft. Ohne das System mit den Logen, in die Sponsoren ihre Gäste einladen, ließe sich das Festival nicht finanzieren. Entscheidungsträger treffen sich Abend für Abend auf den beiden oberen Etagen der Tribüne – gleichzeitig geht es hier sehr familiär zu. Viele sind Stammgäste, kommen also Jahr für Jahr zu einem „Familienfest“.
Zum familiären Gefühl passt, dass die Jazz Open in dieser Größe eine der wenigen unabhängigen Festivals sind, die gut dastehen. Etliche Indi-Festivals mussten europaweit auf Grund gestiegener Kosten aufgeben. Die verbliebenen Festivals sind meist in der Hand von Live Nation und Eventim. Family and friends – so heißt es auch backstage: US-Star Lenny Kravitz spielte hinter der Bühne mit einem anderen Lenny – mit dem kleinen Sohn von Sängerin und Bassistin Nik West.
Beim Auftritt von Sting befinden sich bekannte Gesichter nicht nur vorne auf der Bühne. Promoter Jürgen Schlensog kann unter anderem Mercedes-Chef Ola Källenius und Jörg Burzer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz-Group, begrüßen, die auch Fans des britischen Popstars sind. Was gerade in allen Zeitungen zu lesen ist: Der Gewinn des Autobauers aus Stuttgart ist geschrumpft, weil die Topmodelle schwächeln. Sting bleibt ein Topmodel. Fans auf dem Schlossplatz sagen, der Brite sei „besser denn je“.
Was neben seiner Musik gut ankommt: Der drahtige Weltstar geht auf die Gebärdendolmetscherin zu, die am Bühnenrand seine Texte für Gehörlose übersetzt, fragt nach ihrem Namen und bedankt sich unter viel Beifall bei ihr.
Dabei im Publikum: Michi Beck von den Fantastischen Vier, der ihn noch nie live gesehen hat. Fanta-Manager Andreas „Bär“ Läsker hat das Konzert „extrem genossen“. Die Reduzierung auf drei Instrumente sei „grandios“ gewesen, weil drei Spitzenmusiker am Werk seien. Außerdem genießen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Landeswirtschaftsminsterin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) den Konzertabend. Auch Giorgio Rivetti, der großen Weinmacher aus dem Piemont, dessen Wein es bei der Jazz Open gibt, ist da sowie La-Commedia-Wirt Luigi Aracri.
OB Frank Nopper (CDU) hat in diesem Jahr zwar die Hauptkonzerte bei den Jazz Open auf dem Schlossplatz nicht besucht, aber er war mit seiner Frau Gudrun Nopper bei der Matinee im Kunstmuseum am Sonntagvormittag im Rahmen der Open Stages, der eintrittsfreien Konzerte. Die Free Classic & Jazz-Pianistin Younee berichtet, dass Stuttgart in ihrer Heimat Südkorea sehr bekannt sei – dank Porsche und Mercedes. Bei ihrem Auftritt vor voll besetzten Reihen begeistert die 28-Jährige, die auch schon in der Hamburger Elbphilharmonie aufgetreten ist, mit einem Stück, das sie für Stuttgart geschrieben hat. Der Titel für die Autostadt lautet: „Speeding Instinct“.
Wer das besondere Jazz-Open-Gefühl in diesem Jahr noch erleben will: Am Montag ist bei Meute und Parov Stelar noch Gelegenheit dazu. Es gibt noch Restkarten an den Abendkassen. Dann endet das Festival mit einem Besucherrekord.