Entsprechend ihrer Form als flache Scheibe, die aus Hunderten von Milliarden Sternen besteht, ist die Milchstraße von der Erde aus als bandförmige Aufhellung am Nachthimmel sichtbar, die sich über 360 Grad auf der Himmelskugel erstreckt. Foto: Imago/Cavan Images

Die Sternenscheibe unserer Milchstraße entstand schon vor rund 13 Milliarden Jahren - und damit vier bis fünf Milliarden Jahre früher als bisher angenommen, wie Forscher jetzt herausgefunden haben. Doch wie ist unsere Galaxie eigentlich aufgebaut?

Große Teile der Milchstraße sind neuen Forschungsergebnissen zufolge vier bis fünf Milliarden Jahre älter als bislang angenommen. Aktuelle Datenauswertungen hätten ergeben, dass eine große Zahl alter Sterne auf ähnlichen Bahnen wie die Sonne unterwegs sei, erklären Samir Nepal und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Astrophysik (AIP) in Potsdam.

Die dünne Scheibe der Milchstraße hat sich demnach bereits weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gebildet, wie die Astronomen im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ schreiben.

Spurensuche in der Geburtsphase des Universums

Der bisherige Stand der Forschung war, dass die dünne Scheibe unserer Galaxie vor etwa acht bis zehn Milliarden Jahren entstanden ist. Nun hat sich gezeigt, dass die dort mithilfe von Daten der Gaia-Mission entdeckten sehr alten Sterne älter als zehn Milliarden Jahre sind, einige sogar älter als 13 Milliarden Jahre.

Zur Info: Gaia ist ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation Esa, das den gesamten Himmel dreidimensional optisch durchmustert.

Zu verstehen, wie sich die Milchstraße gebildet hat, sei ein wichtiges Ziel der galaktischen Archäologie, erklären die Astronomen. Dazu würden detaillierte Karten der Galaxis benötigt, die das Alter, die chemische Zusammensetzung und die Bewegungen der Sterne zeigen.

Die Sternenscheibe unserer Milchstraße ist vier bis fünf Milliarden Jahre älter als bislang gedacht. Foto: © Nasa/JPL-Caltech

Dicke und dünne Scheibe, uralte und metallarme Sterne

Die Milchstraße besteht unter anderem aus einer dicken und einer dünnen Scheibe. Die meisten Sterne befinden sich in der dünnen Scheibe und folgen einer organisierten Rotation um das galaktische Zentrum.

In der dünnen Scheibe der Milchstraße kreisen neben unserer Sonne und weiteren jüngeren Sternen auch uralte, vor mehr als 13 Milliarden Jahren entstandene Sterne. Foto: © Nepal et al./HG: Nasa/JPL-Caltec/h

Die Forscher werteten die Bewegung, Zusammensetzung und Entfernungen von mehr als 560 000 Sternen aus, die im Katalog des Gaia-Weltraumteleskops enthalten sind. Für rund 20 000 dieser Sterne konnte sie Alter und Dynamik sehr präzise ermitteln.

Weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden

Die stellare Kartierung ergab: Eine überraschend hohe Anzahl von Sternen in der Sternenscheibe der Milchstraße ist metallarm und demnach uralt. „Diese metallarmen Sterne mit Orbits innerhalb der dünnen Scheibe bilden eine klar erkennbare Population“ erklären die Astronomen. Mehr als 50 Prozent dieser metallarmen Sterne seien älter als 13 Milliarden Jahre, der Rest größtenteils älter als zehn Milliarden Jahre.

In der weiteren Untersuchung der Gaia-Daten zeigte sich, dass die Uralt-Sterne nicht nachträglich in die innere Sternenscheibe gelangt sein können. Sie müssen folglich schon von Beginn an dort gewesen sein.

Damit muss die Sternenscheibe der Milchstraße weit älter sein als gedacht. „Diese alten Sterne in der Scheibe deuten darauf hin, dass die Bildung der dünnen Scheibe der Milchstraße etwa vier bis fünf Milliarden Jahre früher begann als zuvor angenommen“, resümiert Samir Nepal.

Die dünne Scheibe der Milchstraße enthält den Großteil ihrer Sterne und die Spiralarme. Foto: © Gaba p/CC-by-sa 3.0

Fazit: Die Milchstraße erhielt den Forschern zufolge ihre typische Sternenscheibe bereits kurz nach ihrer Entstehung. „Die Sternscheibe der Milchstraße bildete sich weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall und wuchs dann kontinuierlich von innen nach außen weiter an.“

Kein Einzelfall in Entstehungsgeschichte von Galaxien

Wie die Experten feststellten, führte die starke Sternbildung in dieser frühesten Epoche zudem zu einer schnellen Anreicherung schwerer Elemente. Dadurch entstanden weitere sehr alte, metallreichere Sterne der galaktischen Scheibe.

Bisher galt eine frühe Sternenscheibe als absoluter astronomischer Sonderfall. Umso überraschender waren daher jüngste Beobachtungen des James-Webb-Teleskops. Demnach machten Scheibengalaxien schon in der ersten Milliarde Jahre des Kosmos 40 bis 60 Prozent der sternenreichen Galaxien aus. Der Nachweis, dass auch die Milchstraße schon sehr früh zur Scheibengalaxie wurde, bestätigt nun diese Beobachtungen aus dem frühen Kosmos.

Info: So ist die Milchstraße aufgebaut

Aufbau
Das Milchstraßensystem hat die Form einer flachen Scheibe mit spiralförmigen Armen und einer Verdickung in der Mitte. Der Durchmesser dieser Scheibe beträgt etwa 120 000 Lichtjahre. Die Anzahl aller Sterne im Milchstraßensystem wird auf rund 200 Milliarden geschätzt.

Komponenten
Wie alle Spiral- und Balkenspiralgalaxien besteht das Milchstraßensystem aus drei Komponenten: Bulge, Halo und Scheibe.

Bulge

Der Kern besteht hauptsächlich aus älteren Sternen und enthält 33 Prozent der sichtbaren Materie.

Halo

Der galaktische Außenbereich besteht aus weit verstreuten, älteren Sternen und Kugelsternhaufen, welche die Galaxie langsam umkreisen. Der Halo beinhaltet 1 Prozent der sichtbaren Materie, aber 95 Prozent der Dunklen Materie.

Scheibe mit Spiralarmen

  • Die dünne Scheibe (Thin Disk) erstreckt sich 700 Lichtjahre ober- und unterhalb der galaktischen Ebene, die viel Gas und neugebildete Sterne enthält.
  • Die dicke Scheibe (Thick Disk) erstreckt sich bis zu einem Abstand von etwa 2500 Lichtjahren ober- und unterhalb der galaktischen Ebene, die vorwiegend ältere Sterne enthält.
  • Die dünne Scheibe enthält 65 Prozent  der sichtbaren Masse der Galaxie, die dicke Scheibe nur 5 Prozent

Schwarzes Loch

Im Zentrum der Milchstraße befindet sich  – wie in wohl  jeder Galaxie  – ein supermassives Schwarzes Loch.