Der Streit um den Kneipenlärm in der Unteren Straße und anderen Heidelberger Altstadtgassen schwelt schon seit zehn Jahren. Foto: dpa/Uwe Anspach

Im jahrelangen Rechtsstreit um die Sperrzeit in der Heidelberger Altstadt setzen sich die Anwohner durch – für die jüngste Stadt in Deutschland ein schwerer Schlag.

Dicht an dicht reihen sich die Kneipen in der Unteren Straße in der Heidelberger Altstadt. Vor allem am Wochenende wird hier bis tief in die Nacht gefeiert. Doch der berühmten Partymeile droht ein empfindlicher Einbruch. Es führt wohl kein Weg daran vorbei, dass die dortigen Lokale demnächst deutlich früher schließen müssen.

Das ist Folge eines Urteils, dessen Tenor der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Mittwoch den Verfahrensbeteiligten zugeleitet und veröffentlicht hat. Die Normänderungsklage der Anwohner sei „teilweise erfolgreich“, heißt es. Die Stadt Heidelberg werde dazu verurteilt, über eine Änderung der Sperrzeitverordnung für die Altstadt zu entscheiden. Dies habe „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats“ zu geschehen.

Die Stadt spielt auf Zeit

Insbesondere ein Lärmgutachten, das bei der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober vorgestellt worden sei, habe zu dieser Entscheidung beigetragen, ließ das Gericht durchblicken. Zu welchen Uhrzeiten die Wirte künftig ihre Gäste heimzuschicken haben, ließen die Richter offen und war auch auf Anfrage nicht zu erfahren. „Derzeit können keine weiteren Angaben zum Inhalt des Urteils gemacht werden, da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen“, hieß es.

Vor diesem Hintergrund spielt die Stadt weiterhin auf Zeit. „Wir nehmen den Tenor zur Kenntnis und werden zunächst die Urteilsbegründung abwarten, ehe wir über weitere Schritte entscheiden“, sagte der Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos). Anwohner, Wirte, Gäste: alle hätten in diesem Konflikt berechtigte Interessen. „Es ist sehr komplex und schwierig, hier einen Ausgleich zu schaffen.“ Auch der Vorsitzende des Anwohnervereins Alt-Heidelberg, Martin Illing, wollte sich zunächst nicht äußern. In der Vergangenheit hatte sich der Verein aber mehrfach über „untragbare Zustände“ beschwert. „Kein Mensch will Feiern und Geselligkeit für junge Menschen abschaffen. Aber das muss nicht zwangsläufig in lautstarkem Besäufnis und Urinieren bis in die Morgenstunden enden“, hieß es.

Selbst die Unibibliothek ist bis 1 Uhr offen

Seit zehn Jahren wird um die Sperrzeit in der Heidelberger Altstadt gestritten. Schon 2018 verpflichtete der VGH die Stadt dazu, die Lärmbelastung für die Anwohner zu verringern. In der Folge beschloss der Gemeinderat, die Sperrstunde unter der Woche auf 1 Uhr und am Wochenende auf 4 Uhr vorzuziehen. Die landesweite Regelung sieht 3 und 5 Uhr vor. Allerdings hatten sich die Anwohner zu diesem Zeitpunkt vor dem Karlsruher Verwaltungsgericht schon eine Verlängerung der Sperrzeit auf 24 Uhr an Wochentagen und auf 2.30 Uhr an den Wochenenden erstritten. Gegen dieses erstinstanzliche Urteil zog die Stadt vor den VGH – offenbar ohne großen Erfolg, wie sich jetzt zeigt.

Die Wirte sehen derweil die Heidelberger Kneipenkultur in Gefahr. Eine Sperrzeit von 24 Uhr unter der Woche „wäre eine Katastrophe, dann ist die Stadt tot“, sagte Christine Hartmann von der „Destille“. Die Bar in der Unteren Straße, in der Studenten und Touristen unter einen Akazienbaum sitzen, ist seit 55 Jahren eine Institution. Die Firma MLP soll hier gegründet worden sein. Doch künftig könne man dort nicht einmal mehr in seinen Geburtstag hineinfeiern, sagte Hartmann. Dabei hätten sich die Ausgehzeiten nach hinten verschoben. „Selbst die Unibibliothek hat bis um 1 Uhr geöffnet.“

Enttäuschte Gäste aus Fernost?

Dass für seine Stadt viel auf dem Spiel steht, ist auch dem OB bewusst. Bei Gästen aus den USA oder Fernost liegt die traditionsreiche Studentenstadt auf der Reiseroute. Sie könnten künftig Enttäuschungen erleben. Heidelberg sei ja nicht nur auf dem Papier die jüngste Stadt Deutschlands, sagte Würzner. „Besonders restriktive Sperrzeiten sind für so eine Stadt mit fast 40 000 Studierenden einfach nicht angebracht.“ Doch genau dazu scheinen die Mannheimer Richter ihn demnächst zu zwingen.