Der Ausgleich fiel in der 82. Minute. Foto: IMAGO / Michael Weber

Statt der Abstiegszone den Rücken zu kehren, liegt der VfB Stuttgart nach dem 1:1 gegen Hertha BSC weiter in Reichweite zum Relegationsrang. Weil eine gute Halbzeit nicht reicht.

Stuttgart - Knapp elf Jahre nach seinem letzten Bundesligaspiel für den VfB Stuttgart durfte sich Sami Khedira wie der heimliche Sieger fühlen. Für den Weltmeister war es nicht nur wegen des Wiedersehens mit vielen alten Stuttgarter Bekannten eine „schöne Rückkehr“, wie er am Samstagnachmittag bekannte.

Nein, Khedira fand sich nach dem 1:1 bei seinem Ex-Club auch noch als Vorlagengeber auf dem Spielberichtsbogen wieder. Sein Zuspiel nach 82 Minuten verwandelte der erst 17-Jährige Luca Netz zum späten Ausgleich für Hertha BSC. Die Berliner vermiesten den Gastgebern somit den Nachmittag. Statt einen großen Befreiungsschlag im Kampf gegen den Abstieg zu landen, haben die Stuttgarter weiterhin gefährlich Tuchfühlung zum Relegationsplatz.

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Als „ein Stück weit frustrierend“, bewerte VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo den Spielausgang, versuchte aber zugleich, dem Punktgewinn das Positive abzugewinnen. „Wir haben Hertha auf Abstand gehalten, was auch nicht unwichtig ist.“ Mit einem Sieg hätte der Aufsteiger aber einen Riesen Satz weg von der Abstiegszone machen können. Was mehr als möglich erschien. Denn eine Hälfte lang hatte Matarazzos Mannschaft die biederen Berliner voll im Griff. Wataru Endo, Konstantinos Mavropanos und mehrfach Sasa Kalajdzic ließen beste Möglichkeiten liegen.

Ehe es doch noch mit einer Führung in die Pause ging. Der Zweimeter-Hüne aus Österreich köpfte eine Freistoßflanke von Borna Sosa in der Nachspielzeit der ersten Hälfte in die Maschen. Kein astreiner Treffer, zunächst hatte das Schiedsrichtergespann auf Abseits entschieden. Erst nach langer Analyse im Kölner Keller entschied Schiedsrichter Harm Osmers: Doch kein Abseits, der Treffer zählt. Eine Millimeter-Entscheidung.

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„Wir waren in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft“, sagte Erik Thommy, der nach Ausfällen von Nicolas Gonzalez, Gonzalo Castro und Marc Oliver Kempf erstmals in dieser Saison in der Startelf stand. Thommy stellte aber auch richtigerweise fest: „In der zweiten Halbzeit haben wir aufgehört, Fußball zu spielen.“

Die mit dem Rücken zur Wand stehenden Berliner kamen nun besser ins Spiel, ohne eine Feuerwerk abzubrennen. Der VfB schaltete in den Verwaltungsmodus. Nach vorne kam wenig bis nichts, was nicht nur den Torschützen ärgerte. „Wir schaffen es nicht, über 90 Minuten eine gute Leistung zu bringen.“ Am Ende bettelte der VfB förmlich um den Ausgleich – der schließlich auch fiel. „Ein Kacktor des Monats“, wie Kalajdzic den Treffer des jüngsten Torschützen in der Bundesliga-Geschichte von Hertha BSC bezeichnete.

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Das Spiel des lange Zeit so forsch durch die Liga spazierenden Aufsteigers offenbarte am Ende zu viele Schwächen. Beginnend mit der Chancenverwertung. Deutlich höher als mit 1:0 hätten die Gastgeber dem Spielverlauf nach zur Pause führen müssen. Doch in letzter Konsequenz gingen Kalajdzic und Co zu leichtfertig mit ihren vielen Möglichkeiten um. Als der Motor Mitte der zweiten Halbzeit merklich zu stottern begann, verpufften die erhofften frischen Impulse von der Bank. Weder die eingewechselten Tanguy Coulibaly noch Daniel Didavi brachten neue Struktur ins Angriffsspiel, in dem der verletzte Nicolas Gonzalez schmerzlich vermisst wurde. Zumal auch Silas Wamangituka nicht seinen besten Tag erwischte. Zuviel lief am Ende über Born Sosa und die linke Angriffseite. Doch dessen zweifellos starke Flanken erwiesen sich am Ende als zu ausrechenbar für einen stabil verteidigenden Gegner.

Am Ende ein gerechtes Unentschieden

„Am Ende waren wir nicht mehr so griffig“, meinte Matarazzo, der wie sein Gegenüber Pal Dardai von einem „gerechten Unentschieden“ sprach. Durch die zwei verlorenen Punkte hat es die Mannschaft vor den wegweisenden Wochen mit Spielen gegen die Kellerkinder aus Köln und Schalke verpasst, dem Kampf gegen den Abstieg frühzeitig Adieu zu sagen und zumindest in sportlicher Hinsicht unbeschwert in die Zukunft zu blicken. Vereinspolitisch lässt sich die Unruhe an der Mercedesstraße schließlich kaum mehr toppen.

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