Auch dieses Jahr gibt es wieder die Möglichkeit, sich über die Osterfeiertage auf der Stuttgart-21-Baustelle umzusehen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Anders als vergangenes Jahr angekündigt, öffnen sich die Tore der Stuttgart-21-Baustelle erneut. Zum ersten Mal können die Besucher aufs Dach des neuen Bahnhofes. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass das Projekt nicht Ende 2025 in Betrieb geht.

Für Baustellengucker, Baumaschinenenthusiasten und Bahninteressierte ist es eine gute Nachricht: Anders als von Stuttgart-21-Werbern noch 2022 in Aussicht gestellt , wird es auch dieses Jahr wieder Tage der offenen Baustelle geben. Über die Osterfeiertage von 8. bis 10. April sind die Tore zur Baustelle für Besucher geöffnet.

Allerdings verbirgt sich dahinter eine Kehrtwende des Projektumfelds – und die könnte auf weitere Verzögerungen bei dem Milliardenvorhaben hindeuten. Noch im vergangenen Jahr stimmte Bernhard Bauer, Vorsitzender des Bahn-Projektvereins, der die Veranstaltung auf der Baustelle organisiert, einen vorsichtigen Abgesang auf das Format an, das regelmäßig mehrere 10 000 Besucher anlockte. „Mit großer Wahrscheinlichkeit sind das jetzt die letzten Tage der offenen Baustelle in diesem Umfang, weil bald der Ausbau der Bahntechnik beginnt und wir dann keine so großen Gruppen mehr über die Baustelle führen können“, sagte er im April vergangenen Jahres wenige Tage vor der bislang letzten Veranstaltung dieser Art.

Dem Bahnhof aufs Dach steigen

Erlaubt also ein gedrosselter Baufortschritt eine Neuauflage der Veranstaltung? Stellen die neuerlichen Tage der offenen Baustelle also die von der Bahn weiterhin für 2025 avisierte Inbetriebnahme infrage? Bauer weist diese Sichtweise zurück. „Wir sprachen immer von ‚voraussichtlich zum letzten Mal‘ und freuen uns, dass wir gemeinsam mit der Projektgesellschaft und den Auftragnehmern auch 2023 eine Möglichkeit gefunden haben, den Bürgerinnen und Bürgern vertiefende Einblicke bieten zu können.“ Alle Beteiligten machten dies „trotz großer logistischer Herausforderungen“ möglich. Man nutze dafür auch Areale, die in der Vergangenheit wegen der Bautätigkeit nicht zugänglich waren, etwa das Dach der neu entstehenden Bahnsteighalle oder Tunnelabschnitte. Den Veranstaltern kommt zupass, dass über die Osterfeiertage Ruhe auf der Baustelle einkehrt. „Die Baustelle arbeitet davor und danach unter Hochdruck“, sagt Bauer.

Dieser Druck kommt nicht von ungefähr, den Ingenieuren und Bauleuten sitzt der Terminplan im Nacken. Daran ändert auch nichts, dass im Februar die vorletzte der 28 Kelchstützen betoniert wird, die später einmal, wenn sie untereinander verbunden sind, das Dach des neuen Bahnhofs bilden. Dennoch wird das Dach aber erst Ende des Jahres fertig – ursprünglich hätte es im Sommer so weit sein sollen.

Umbau des Bonatz-Baus zieht sich hin

Unterdessen laufen im benachbarten Bonatz-Bau die Abriss- und Umbauarbeiten. Das Empfangsgebäude des Kopfbahnhofs wird dabei komplett entkernt. In vielen Bereichen bleiben nur die Fassaden stehen, ehe im Inneren ein komplett neues Gebäude entsteht. Mit dessen Rohbau hätte es im dritten Quartal – also zwischen Juli und September – 2022 losgehen sollen. So wurde es den Projektpartnern beim Lenkungskreistreffen im Herbst vergangenen Jahres mitgeteilt. Nun erklärt Projektsprecher Jörg Hamann, man stelle im Februar die „Baugruben im Gebäudehauptteil her, im Sommer 2023 die ersten Bodenplatten“. Dort, wo Innenwände stehen bleiben, würden diese derzeit saniert.

Stadt stellt sich auf längere Wartezeit ein

Gefragt, ob es denkbar sei, dass der Durchgangsbahnhof in Betrieb genommen werde, auch wenn der Bonatz-Bau als Zugang dorthin noch nicht fertig saniert sei, erklärt Hamann: „Derzeit gibt es keine derartigen Überlegungen. Der Durchgangsbahnhof wird mit den erforderlichen Verkehrsflächen in Betrieb gehen.“ Bei der Stadt hat man eine eigene Sicht der Dinge beim Baufortschritt in diesem Bereich. „Teile des umgebauten Bonatz-Baus könnten auch noch nach der Inbetriebnahme fertiggestellt werden“, heißt es in einer Präsentation, die Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) Anfang Februar vor einer Gruppe von Bahnhofsanrainern gehalten hat. Gleiches gelte für die Gestaltung des Bahnhofsdachs, über dem der Manfred-Rommel-Platz entstehen soll. „Mit der endgültigen Fertigstellung kann in den Jahren 2026/2027 gerechnet werden“, heißt es in dem städtischen Papier.

Warten auf die Lichtaugen

Noch hält die Bahn eisern daran fest, das Gesamtwerk im Dezember 2025 zu eröffnen. Bis dahin bleibt noch viel zu tun. Noch liegt kein einziger Meter Gleis im Bahnhof, fehlt noch alles, was aus dem Rohbau eine Verkehrsstation macht. Auch die für den Entwurf von Architekt Christoph Ingenhoven so charakteristischen Lichtaugen – große Stahl-Glas-Konstruktionen auf den Kelchstützen – lassen weiter auf sich warten. Deren Bau hätte im März 2022 beginnen sollen, nun ist die Rede von August 2023. Der Teufel steckt dabei offensichtlich auch immer wieder im Detail. Kürzlich hat die Bahn ein weiteres Demonstrationsmodell, ein sogenanntes Mock-up, bei dem mit dem Lichtaugenbau betrauten Spezialunternehmen Seele in Auftrag gegeben. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den sogenannten natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten, kurz NRWG. Hamann sagt, das diene dazu, „alle architektonischen Belange final abzustimmen. Das hat nichts mit der Funktion der Entrauchung zu tun. Vielmehr geht es dabei um Integration der NRWG in die Fassade sowie um die Farbgebung.“

Aufsichtsrat müsste zuerst informiert werden

Mitte März sind es noch 1000 Tage, bis Stuttgart 21 nach bisher geltendem Zeitplan am 14. Dezember 2025 in Betrieb gehen soll. Offiziell mag niemand über einen neuerlichen Verzug des Projekts sprechen, für das die Idee 1994 vorgestellt wurde und das seit 2010 in Bau ist. Die Zurückhaltung in Sachen Terminspekulationen ist den rechtlich fixierten Abläufen geschuldet. Die sehen vor, dass zunächst die Mitglieder des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn über mögliche Probleme mit der Zeitschiene zu informieren sind.