Bürgermeister Steffen Weigel möchte mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel bringen. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Weniger problematisch als erwartet waren die Bauarbeiten für den Schnellbahntunnel in Wendlingen. Im Interview lobt Bürgermeister Steffen Weigel die guten Kontakte zur Bahn.

WendlingenDie Baustelle für die Schnellbahnstrecke zwischen Ulm und Stuttgart hat Wendlingen durch die Großbaustelle stark betroffen. Lärm und Schmutz hielten sich aber aus der Sicht von Bürgermeister Steffen Weigel sehr in Grenzen. Der Verwaltungschef kämpft darum, dass die verkehrsgünstig an Autobahn und Bahnstrecke noch bessere S-Bahn-Verbindungen bekommt. „Da muss sich im Denken der politischen Entscheidungsträger viel ändern“ ist er überzeugt. Im Interview spricht der Bürgermeister über die Zusammenhänge zwischen Mobilität und Wirtschaftsstandort.

Die Baustelle für die Schnellbahnstrecke zwischen Stuttgart und Ulm ist das Großprojekt in Wendlingen. Wie sieht es denn mit Baulärm und Belästigungen aus?
Die Belästigung hat sich insgesamt sehr in Grenzen gehalten. Wir haben eigentlich überhaupt keine Probleme gehabt – weder mit der Bahn, noch mit der Firma Implenia. Die Behelfsausfahrten, die wir im Planfeststellungsverfahren angeregt haben, sind dann auch so beschlossen worden. Sie haben sich bewährt. Großtransporte mit größeren Erdmassen sind über diese Ausfahrten abgewickelt worden. Die liefen gar nicht durch die Stadt. Es gab vereinzelt Sprengungen. Da hat die Bahn die Anwohner aber sehr gut informiert. Deshalb hatten wir keine Beschwerden in Bezug auf die Tunnelbauarbeiten, die ja nun fast abgeschlossen worden sind. Da die beiden Tunnelbohrmaschinen von Kirchheim aus gefahren sind, hatten wir relativ wenig Verkehrsprobleme.

Bisher hat die Stadt Wendlingen gute Verbindungen mit der S-Bahn und mit den Regionalzügen. Wie es weitergeht, wenn die Schnellbahnstrecke fertig ist, verunsichert manche. Steht denn zu befürchten, dass die Anbindung der Stadt Wendlingen sich verschlechtern könnte?
Ich wüsste nicht, weshalb wir da abgehängt werden sollte. Es gibt bisher keine Aussagen, dass sich im Regionalverkehr etwas verändert, wenn die Schnellbahnstrecke fertig ist. Das wäre natürlich fatal. Ich gehe im Moment aber eher davon aus, dass der S-Bahn-Takt nach Wendlingen sogar nochmal verdichtet wird auf 15 Minuten. Diese Überlegung gibt es schon länger – dann könnte ein Zug in Richtung Kirchheim weiterfahren, ein anderer nach Nürtingen. Selbstverständlich erwarte ich, dass der Regionalverkehr dadurch nicht eingeschränkt wird. Denn der Regionalexpress nach Tübingen und Stuttgart ist für uns eine wichtige Verbindung. Aber von solchen Plänen weiß ich im Moment nichts.

Sehen Sie da auch keine Gefahr, wenn die Schnellzüge interimsmäßig über die Güterzugstrecke in Wendlingen fahren, solange der Bahnhof in Stuttgart nicht fertig ist?
Dass das kommen wird, war uns allen klar, denn die Bahnstrecke wird deutlich früher fertig als der Bahnhof in Stuttgart. Grundsätzlich haben wir auch nichts gegen diese Zwischenlösung. Aber wir haben alle Verantwortlichen ganz deutlich darauf hingewiesen, dass der bestehende Takt dadurch nicht ausgedünnt werden darf. Es kann nicht sein, dass die S-Bahn nur noch im Stundentakt fährt, weil der ICE fahren muss. Das geht auf gar keinen Fall, denn sonst hätten wir Verkehrschaos. Wir haben bei der Bahn und beim Verkehrsministerium beantragt, dass dann mindestens eine Fernverbindung auch in Wendlingen halten soll.

Sie sind einer der Vorkämpfer in den Neckartal-Kommunen für einen Ringschluss der S-Bahn auf die Filder. Für wie realistisch halten Sie es denn, dass dieser Anschluss kommt?
Wenn man sich die Planungsvorläufe bei solchen Projekten anschaut, muss man realistisch sagen, dass wir vor 20 Jahren nicht damit rechnen können. Aber ich sage ganz klar: Das darf nicht so bleiben. Wir haben heute schon extreme Probleme mit dem Verkehr. Es ist ja nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, dass wir mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel bringen müssen. Das ist ein vitales Interesse des Wirtschaftsstandorts Stuttgart. Wenn die Leute weder vernünftig zur Arbeit kommen, weil sie im Stau stehen, noch der Güterverkehr halbwegs im Zeitplan abgewickelt werden kann, dann ist das eine eklatante Schwächung des Wirtschaftsstandorts. Wenn wir es nicht schaffen, schneller Lösungen zu finden, dann wird die Region darunter extrem zu leiden haben. Da muss sich im Denken der politischen Entscheidungsträger vieles ändern.

Wendlingen hat eine sehr gesunde Stadtmitte mit einem breit gefächerten Einzelhandelsangebot. Nun hat der Edeka-Markt als großer Frequenzbringer geschlossen. Was bedeutet das für die Stadt?
Wir sind viel mit Einzelhandelsketten in Kontakt, haben Interessenten zum Teil auch schon an die Eigentümerfamilie vermittelt. Es gibt mehrere Interessenten, mit denen jetzt Gespräche geführt werden. Ich gehe im Moment davon aus, dass wir zeitnah wieder einen Lebensmittelmarkt bekommen. Natürlich ist der Standort nicht ideal, denn die Parkplatzsituation ist nicht einfach. Ich vermute, dass die Umsatzzahlen nicht so schlecht waren, dass sich ein Lebensmittel-Vollsortimenter nicht tragen würde. Ganz wichtig für die älteren Menschen ist, dass wir wieder einen Vollsortimenter bekommen. Da ist eine große Lücke entstanden, was auch die anderen Geschäfte deutlich spüren.

Das Interview führte Elisabeth Maier

Zur Person

Steffen Weigel machte 1992 den Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt. 1992 bis 1996 war er bei der Stadt Friedrichshafen im Amt für Vermessung und Liegenschaften. Ab 1996 bei der Stadt Kirchheim, zuletzt von 2006 bis 2011 Hauptamtsleiter. Seit 2011 Bürgermeister in Wendlingen.