Im Mai sind die ersten Container für die PCB-belastete Zollberg-Realschule geliefert worden. Mittlerweile ist klar: Sie muss neu gebaut werden. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Die PCB-belastete Zollberg-Realschule muss neu gebaut werden. Die Verwaltung plädiert dafür, sie weiterhin auf drei Züge auszulegen, aber die Option auf vierten Zug mit vorzubereiten.

EsslingenBekommt Esslingen in den nächsten Jahren tatsächlich zwei neue Realschulen in der Pliensauvorstadt und in den Lerchenäckern – wie der Gemeinderat noch im Oktober vergangenen Jahres nach einer chaotischen Sitzung mehr oder weniger beschlossen hatte? Oder kommt man doch mit nur einer Neugründung aus?

Im Vorjahr war noch nicht absehbar, dass die Zollberg-Realschule so massiv mit PCB belastet sein würde, dass die Stadt auch im Süden um einen Neubau nicht herumkommen wird. Was damals bei den Untersuchungen der Verwaltung nur eine von 21 Möglichkeiten auf dem Papier war, hat mit der Entwicklung an der Zollberg-Realschule noch einmal eine neue Dynamik gewonnen: Wenn man man die Zollberg-Realschule gleich größer anlegen und auch die neue Schule in der Pliensauvorstadt vier- statt nur dreizügig bauen würde, könnte man die noch fehlenden Klassenzimmer für die Sekundarstufe I an der Seewiesenschule anbauen – und auf die umstrittene zweite Schulneugründung in den Lerchenäckern verzichten.

Der neu gewählte Gemeinderat wollte auf Initiative der Grünen, der Freien Wähler und der FDP die Gesamtschau jetzt jedenfalls noch einmal aufgerollt wissen – und hat deshalb den bereits angelaufenen Architektenwettbewerb für eine dreizügige neue Realschule am jetzigen Standort der Adalbert-Stifter-Schule in der Pliensauvorstadt auf Eis gelegt. Doch die Zeit drängt, denn die Realschulen laufen über. Die sogenannte Neue Schule Esslingen sollte als erste der beiden Neugründungen eigentlich schon zum Schuljahr 2020/21 im sogenannten Neubau der bisherigen Adalbert-Stifter-Schule mit vorerst zwei Klassen starten. Um parallel zum Abriss und Neubau der Schulgebäude dort eine erste Entlastung für die anderen Schulen zu schaffen. Die städtische Schulverwaltung will nach den Sommerferien deshalb eine schnelle Entscheidung, wie es weitergeht. „Wir werden dem Schulausschuss Ende September vorschlagen, die neue Zollberg-Realschule nach wie vor nur auf drei Züge auszulegen, die Erweiterung um einen vierten Zug jedoch planerisch mit ins Auge zu fassen und bei Bedarf auch möglich zu machen“, sagt Bernd Berroth, Leiter des Amts für Bildung, Erziehung und Betreuung im Esslinger Rathaus. Er plädiert jedoch dafür, die Lerchenäckerschule als künftigen weiteren Realschulstandort nicht jetzt schon aus dem Rennen zu nehmen. Berroth: „Wir können so Zeit gewinnen, nehmen uns aber nicht alle Reserven.“

Dass die Schülerzahlen weiter steigen, glaubt man im Rathaus zwar nach wie vor. Doch war bei den Anmeldungen für die weiterführenden Schulen in diesem Frühjahr der Andrang auf die Gymnasien deutlich größer als in den vergangenen Jahren, die vor allem die Realschule Oberesslingen vor massive Probleme gestellt hatten. Zudem wird eine neue Busverbindung zum neuen Schuljahr knapp 20 Kinder aus Baltmannsweiler in die Realschule nach Reichenbach bringen. Das alles hat die Skepsis im Esslinger Gemeinderat eher noch genährt, ob sich eine weitere Realschule in den Lerchenäckern in Anbetracht der kaum entfernten, aber schon etablierten Realschule Oberesslingen würde behaupten können.

Würde man auf sie verzichten und dafür die anderen Schulen – inklusive Neubau der Zollberg-Realschule – soweit wie möglich vergrößern, müsste man aber auch die Neue Schule Esslingen in der Pliensauvorstadt auf vier und nicht nur auf drei Eingangsklassen anlegen. Das allerdings gibt das Grundstück der bisherigen Adalbert-Stifter-Schule nicht her, so Berroth. Hier müsste die Stadt ein Gelände mit einbeziehen, das sie derzeit an die Waldorfschule vermietet hat und das sie auch nur über das Grundstück der Waldorfschule erschließen könnte. „Die Verhandlungen würden uns viel Zeit kosten.“

Dass sich der Gemeinderat dazu entschließen wird, die Schule stattdessen auf dem ehemaligen VfL-Post-Areal zu bauen – eine Gedanke, für den die Freien Wähler, die Grünen und die FDP eine gewisse Sympathie aufbringen – kann er sich aber auch nicht vorstellen. Zumal diese Gesamtvariante mehr als fünf Millionen Euro teuerer als die Verwaltungsvariante sei und man dort dann weniger Wohnraum als geplant schaffen könne. Vor allem aber sichere das Rathausmodell deutlich mehr Flexibilität. „Wenn wir die Lerchenäckerschule aufgeben, haben wir Schulraum vernichtet und zugleich alle unsere Ausbauoptionen ausgemostet“, warnt der städtische Schulamtsleiter. Baue man hingegen die neue Zollberg-Realschule dreizügig mit der Option auf einen vierten Zug und die Neue Schule Esslingen ebenfalls mit drei Zügen wie geplant am Standort der Stifter-Schule, könne man Zeit gewinnen und die Entwicklungen beobachten. Das gelte sowohl für die Schülerzahlen als für die Bildungspolitik im Land. Damit halte man sich die Entscheidung offen, ob man die Option in den Lerchenäckern ziehen müsse.

Tatsache ist, dass er sich in der Gemeinderatssitzung Anfang Oktober eine Antwort des Gremiums erwartet. Berroth: „Für die Eltern, die im Frühjahr 2020 ihre Kinder an einer weiterführenden Schule – und insbesondere an der Neuen Schule Esslingen – anmelden wollen, wäre das ein ganz wichtiges Signal.“

Kommentar: Die Zeit drängt

Wer sein Kind im kommenden März nicht an einem Esslinger Gymnasium anmeldet, muss an fast allen anderen weiterführenden Schulen in der Stadt mit Einschränkungen rechnen. In der Zollberg-Realschule wird die nächsten Jahre in Containern unterrichtet, vor der Gemeinschaftsschule Innenstadt liegt eine mehrjährige intensive Bauphase. Und man kann nur hoffen, dass die Stadt die anfallende PCB-Beseitigung an der Realschule Oberesslingen bis dahin abgehakt hat. Sollte an der Adalbert-Stifter-Schule tatsächlich zum Schuljahr 2020/21 die sogenannte Neue Schule Esslingen an den Start gehen, bekommen deren erste Jahrgänge ebenfalls die Arbeiten für Abriss und Neubau nebenan voll mit.

Freilich hat der städtische Schulamtsleiter Bernd Berroth recht, wenn er sagt: „Damit sind wir in Esslingen nicht allein. Man muss nur nach Plochingen oder nach Ostfildern schauen.“ Aber Esslingen ist die Schulstadt im Landkreis schlechthin. Und es darf nicht passieren, dass ihre Gemeinschafts- und Realschulen so unattraktiv werden, dass die Kinder vollends auf die Gymnasien oder in die Nachbarkommunen abwandern.

Die von der Verwaltung forcierte Gemeinderatsentscheidung für zwei neue Realschulen im vergangenen Oktober war weder eindeutig noch überzeugend. Ob sich in Anbetracht der Haushaltslage im neu gewählten Gemeinderat aber tatsächlich eine Mehrheit für eine vierzügige Realschule auf dem ehemaligen VfL-Post-Gelände findet, ist mehr als fraglich. Dennoch braucht es jetzt zügig eine Entscheidung, wie es mit den Realschulen weitergeht. Und eine, die einem noch etwas Spielraum lässt, ist vermutlich nicht die schlechteste. Vielleicht könnte man ja in den Wettbewerb für die neue Realschule auf dem Areal der Adalbert-Stifter-Schule auch noch eine Erweiterungsoption auf einen vierten Zug im derzeit vermieteten Nachbargelände aufnehmen?