Seit zehn Jahren gibt es für verzweifelte Schwangere, die nicht Mutter werden können oder wollen, die Möglichkeit der vertraulichen Geburt. Wie sind die Erfahrungen in Stuttgart mit dem Angebot?
Mal ist es die Angst vor dem Partner, weil das Kind vielleicht nicht von ihm ist, die eine Frau dazu bringt, ihre Schwangerschaft zu verheimlichen. Mal ist es die Angst vor den Eltern. Andere Frauen haben Angst vor Institutionen wie dem Jugendamt. Haben sie bereits Kinder, sorgten sie sich zum Beispiel, dass ihnen die Älteren vielleicht weggenommen werden könnten, wenn sie sich nicht zutrauten, das Neugeborene selbst aufziehen.
Es seien ganz vielfältige Gründe, die einer vertraulichen Geburt vorausgehen, so berichten es Vertreterinnen aus den Schwangerschaftsberatungen in Stuttgart.
Fünf dieser Anlaufstellen gibt es in Stuttgart. Hier finden die Frauen Hilfe in ihrer Verzweiflung und werden auch so lange begleitet, wie sie es wünschen – auch noch nach der Abgabe des Kindes. Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland die Möglichkeit zur vertraulichen Geburt – als Alternative zur komplett anonymen Geburt und auch zu einer Abtreibung, sollte es für diese nicht ohnehin zu spät sein, weil die Schwangerschaft zu weit fortgeschritten ist.
Anders als bei der Babyklappe können die Kinder, die vertraulich geboren werden, sobald sie 16 Jahre alt sind, den Namen ihrer Mutter erfahren. Die Angaben lagern jeweils in einem Kuvert versiegelt beim Bundesamt für zivilrechtliche Angelegenheiten in Köln.
Viele wollen ihrem Kind einen Vornamen geben
Maren Michel aus der Schwangerenberatung von Pro Familia und Gertrud Höld, die Leiterin der Beratungsstelle für Schwangere der Evangelischen Gesellschaft, haben solche Kuverts schon nach Köln verschickt. Beide haben Frauen über die vertrauliche Geburt beraten. Näheres zu den Fällen verraten sie nicht – das würde dem Konzept zuwider laufen. Was Gertrud Höld aber betont: Die betreffenden Mütter wollten das Beste für ihr Kind und handelten sehr verantwortungsvoll.
Die Frauen, mit denen sie zu tun hatte, machten zum Beispiel wichtige Angaben über Vorerkrankungen in der Familie. Es war ihnen auch wichtig, ihrem Kind einen Namen zu geben. Teils äußerten sie auch Wünsche zur Adoptivfamilie. Maren Michel berichtet zudem, dass sie es auch schon erlebt habe, dass eine Mutter einen persönlichen Brief ans Kind beigelegt habe.
„Für die meisten ist entscheidend, die Schwangerschaft vor dem Umfeld geheim zu halten, aber nicht, dass das eigene Kind später den eigenen Namen nicht erfahren soll“, berichtet Michel, das hätten auch Studien ergeben. Für das Kind wiederum habe das Wissen über die eigene Herkunft eine große Bedeutung – Findelkinder hätten diese Chance nicht, deshalb sei es wichtig gewesen, die Alternative der vertraulichen Geburt zu schaffen.
„Keine muss für sich alleine sein“
Bundesweit haben laut Bundesfamilienministerium bis Februar dieses Jahres 1166 Frauen ein Kind vertraulich geboren, also unter Pseudonym in der Geburtsklinik. Die fünf Schwangerschaftsberatungen in Stuttgart hätten ei laut Maren Michel bisher nicht einmal zehn Frauen komplett durch den Prozess begleitet. Die Anfragen zur vertraulichen Geburt seien aber weitaus höher. Darauf weist Britta Grotwinkel, die Leiterin der städtischen Schwangerschaftsberatungsstelle, hin. Hinzu kämen Frauen, die sich zur vertraulichen Geburt beraten ließen, sich aber dann doch anders entschieden.
Dennoch: In Stuttgart kommt die vertrauliche Geburt im Vergleich zu anderen Großstädten erstaunlich selten vor. Gertrud Höhl glaubt, dass dies mit der vergleichsweise guten wirtschaftlichen Situation in Stuttgart zusammenhängt – und mit dem guten, niedrigschwelligen Hilfesystem in der Landeshauptstadt. Dennoch sei es wichtig, immer wieder auf dieses Angebot hinzuweisen. „Keine muss für sich alleine sein, wir sind da“, betont auch Maren Michel.
Kontakte für Betroffene
Hilfetelefon
Betroffene können sich rund um die Uhr an das bundesweite Hilfetelefon „Schwangere in Not“ wenden unter Telefon 08 00 / 40 4 00 20, das dann an die Beratungsstellen vor Ort weitervermittelt. Online finden Frauen unter www.hilfetelefon-schwangere.de Informationen über Hilfsangebote für Schwangere – auch eine anonyme Chat-Beratung findet sich dort.
Stuttgart
Die Beratungsstellen in Stuttgart sind folgendermaßen zu erreichen: donum vitae (Telefon 0711 / 300 00 35 oder donum-vitae-stuttgart.de), Evangelische Gesellschaft (Telefon 0711 / 20 54 283 oder www.eva-stuttgart.de/schwangere.html), Pro Familia (Telefon 0711 / 65 67 90 6 oder www.profamilia.de/stuttgart), Sozialdienst katholischer Frauen (Telefon 0711 / 9 25 62 0 oder www.skf-stuttgart.de), Städtische Beratungsstelle (Telefon 0711 / 216 8 03 24).