Am 28. Januar suchten Rettungskräfte in Lenningen nach der Vermissten. Foto: 7aktuell/ /Enrique Kaczor

In Deutschland verschwinden täglich hunderte Menschen – die meisten tauchen nach wenigen Tagen wieder auf. Nicht so im Fall der vermissten Julia W. aus Remshalden. Ihre Eltern haben sich jetzt im SWR zu Wort gemeldet.

Noch immer läuft die verzweifelte Suche nach der seit vergangenem Dienstag vermissten Julia W. aus Remshalden. Um die 16-Jährige zu finden, konzentrierten sich die Such- und Rettungstrupps am Donnerstag auf den Raum Kirchheim unter Teck und Lenningen (Kreis Esslingen). „Wir sind dort mit starken Kräften im Einsatz, unter anderem mit mehreren Zügen der Bereitschaftspolizei“, sagt Rudolf Biehlmaier, der Sprecher der Polizei Aalen. Am Mittwoch hatten Einsatzkräfte an Haustüren in Oberlenningen geklingelt und Handzettel verteilt, auf denen die Schülerin zu sehen ist. Auch auf dem Areal einer ehemaligen Papierfabrik wurde gesucht. Am Donnerstag nahmen Beamte das Gelände an der dortigen Bahnstrecke unter die Lupe.

Jeden Tag werden in Deutschland laut dem Bundeskriminalamt 200 bis 300 Menschen als vermisst gemeldet – die meisten tauchen allerdings wieder auf. Eines der jüngsten Beispiele kommt aus Ludwigsburg, wo am 1. Februar eine 15-Jährige verschwunden war. Ihre Eltern hatten sich an die Polizei und per Facebook an die Öffentlichkeit gewandt. „Das Mädchen ist inzwischen wohlbehalten zuhause“, erklärt eine Sprecherin der Polizei Ludwigsburg nun.

So und ähnlich verlaufen die meisten solcher Vermisstenfälle: Zwei Drittel von ihnen werden binnen drei Tagen aufgeklärt. Bei Jugendlichen steckt oft ein Ausreißen dahinter. Um die Persönlichkeitsrechte der Vermissten zu schützen, wendet sich die Polizei auch nicht immer sofort an die Öffentlichkeit. Nur in drei Prozent der Fälle beschäftigt das Verschwinden eines Menschen die Ermittler länger als ein Jahr.

Zwei Drittel der Vermisstenfälle in Deutschland werden schnell geklärt

Bilder von Hundertschaften, die die Landschaft durchkämmen, oder von Hunden, die den Duft von lebenden oder toten Menschen aufspüren können, lassen oft nichts Gutes vermuten. Doch immer wieder gibt es Fälle, in denen auch nach längerer Zeit die Hoffnung auf ein Happy End erfüllt wird. Im April 2014 etwa verschwand ein elf Jahre alter Flüchtlingsjunge aus Winnenden.

Fünf Tage lang lief damals die Suche, die Polizei durchsuchte das Wunnebad, als die Nachricht eintraf: Der Junge war in Schweden, wo Verwandte von ihm leben. In einem Video auf Facebook meldete er sich zu Wort: „Ihr braucht keine Angst zu haben, mir geht es hier viel besser als in Deutschland.“

Im hessischen Altenstadt wurde im vergangenen Frühjahr ein 17-Jähriger vermisst, der eine Reise zu einem Freund nach Hamburg zum Ausreißen genutzt hatte. Offenbar bewegte er sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln und per Anhalter fort, vier Tage später tauchte er wieder auf.

Die Eltern der Vermissten aus Remshalden sind verzweifelt

Nun fehlt die 16-jährige Julia aus Remshalden schon länger als eine Woche – und die Wahrscheinlichkeit, dass der Schülerin etwas zugestoßen ist, nimmt zu. Dennoch geben ihre Eltern die Hoffnung, dass ihre Tochter wohlauf ist, nicht auf. Dies geht aus einem Fernsehinterview hervor, welches am Mittwochabend vom SWR veröffentlicht wurde. „Nur dadurch, dass ich daran denke, meine Tochter kommt wieder nach Hause, kann ich hier einigermaßen sitzen“, sagt ihr Vater Marc W. im Gespräch. Dennoch muss er gegen die schlimmsten Befürchtungen ankämpfen: „Wenn Sie sich jeden Abend Gedanken machen, wo übernachtet meine Tochter, was ist ihr passiert? Da stellen Sie sich Sachen vor, das wollen Sie gar nicht wissen“, sagt der Vater.

In dem Fernsehbeitrag schildern die Eltern ein bislang nicht öffentlich bekanntes Detail. Demnach hatte Julia ihren Eltern am Morgen des 24. Januar gesagt, sie mache sich zu ihrer Schule in Stuttgart-Sommerrain auf. Eine Freundin soll laut den Eltern allerdings von Julias Handy aus eine Nachricht bekommen haben, dass sie nicht in die Schule kommen werde. Die Ermittler vermuten, dass sie irgendwo in Stuttgart zunächst in die S-Bahn nach Kirchheim unter Teck umgestiegen ist. Dort zeigten Aufnahmen einer Überwachungskamera eine junge Frau mit brauner Winterjacke und Rucksack, wie sie um 9.17 Uhr in die Teckbahn Richtung Lenningen stieg. Die Eltern haben ihr Kind auf diesen Aufnahmen identifiziert. Die Polizei hat nun am Donnerstag ein anonymes Hinweisgebersystem eingerichtet. Dies sei jedoch kein Hinweis darauf, dass die Ermittler von einem Verbrechen überzeugt sind, betont der Polizeisprecher Biehlmaier: „Es könnte ja sein, dass Julia sich bei jemandem aufhält und der Nachbar etwas gesehen hat – aber sich bisher nicht getraut hat, sich zu melden.“ Die Anteilnahme in der Bevölkerung sei groß, „es gehen laufend Hinweise bei uns ein“. Nur der entscheidende Tipp sei bislang nicht dabei gewesen.

Die Polizei geht davon aus, dass sich die 16-Jährige am Dienstag voriger Woche zunächst in der Lenninger Gegend aufgehalten hat „Allerdings kann ihr auch auf dem Rückweg etwas zugestoßen sein“, so der Polizeisprecher. Die Polizei hofft nun auf weitere Hinweise von Zeugen, die das Mädchen in der Teckbahn, in Lenningen oder auf der Rückreise ins Remstal gesehen haben.

Hinweise zur verschwundenen Schülerin können anonym abgegeben werden

Wie sehr das Remshaldener Ehepaar die Situation mitnimmt, wird in dem SWR-Beitrag auch deutlich, als die Mutter Eva W., ihre Gefühle schildert: „Ich hoffe, dass sie hier durch die Tür kommt, wie immer, wie jeden Tag“, sagte die Remshaldenerin und kämpft gegen ihre Tränen an. „Ich will sie doch nur in den Arm nehmen.“

Hinweisportal Unter der Internet-Adresse www.bkms-system.net/bw-vermisste-julia können Hinweise anonym abgegeben werden. Telefonische Hinweise werden unter der Nummer 071 51/95 03 33 entgegengenommen.