Und wo ist hier jetzt die Rettungsgasse? Wer steht da knapp vor einem Fahrverbot? Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Die gesetzliche Pflicht zur Rettungsgasse besteht für Autofahrer eigentlich nur „außerorts“. Und im Stadtgebiet? Die Stuttgarter Polizei verteidigt ihre Kontrollaktion.

Empörung allenthalben. Ein Monat Fahrverbot – und das nur, weil man keine Rettungsgasse im Stau einer Bundesstraße freigehalten hat. Die Aktion der Verkehrspolizei, die am 18. November die Staukolonnen auf der B 10 und B 27 vor Baustellen im Bereich Zuffenhausen ins Visier genommen hat, erregt die Gemüter. Denn 117 Autofahrer müssen eine vierwöchige Zwangspause nebst zwei Punkten in Flensburg und mindestens 200 Euro Bußgeld hinnehmen. Doch durfte die Polizei im Stadtgebiet überhaupt kontrollieren?

Der verwirrende Begriff „Außerortsstraße“

Bisher lag der Fokus der Rettungsgassen vor allem auf den Autobahnen – nicht aber auf den mehrspurigen Bundesstraßen im Stadtgebiet. Und einige Autofahrer sind irritiert – weil die Straßenverkehrsordnung (StVO) unter Paragraf 11 Folgendes formuliert: „Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden.“

Der Begriff „Außerortsstraßen“ könne aber für einen Stadtverkehr nicht gelten, wundern sich die Kritiker. Oder gehöre Zuffenhausen etwa nicht mehr zum Stadtgebiet?

Zwei Streifen – trotz Blaulichts ausgebremst

Dass die Polizei ihre Anzeigen wieder zurücknehmen müsste – dafür sieht Polizeisprecher Sven Burkhardt keinen Grund. „Die Kontrollörtlichkeiten befanden sich auf einer Bundesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften, also außerorts“, sagt er. Ein Ort sei in der Regel am Ortsschild zu erkennen – und die Verkehrsteilnehmer hätten sich in diesem Fall noch weit davor befunden. Solche Streckenabschnitte gibt es im Stadtgebiet reichlich – also mehrspurige Bundesstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften.

Ein Streifenfahrzeug der Verkehrspolizei sei an jenem Freitag gegen 13.30 Uhr auf der B 27 aus Kornwestheim in Fahrtrichtung Friedrichswahl unterwegs gewesen. Im Baustellenstau habe man sich dann mit Blaulicht und Martinshorn nach vorne gearbeitet. Sogenannte Dashcams zeichneten jene Fahrzeuge auf, die dem Polizeiauto im Weg standen. Später, gegen 15.40 Uhr, sei eine weitere Streife auf der B 10 von der Autobahn 81 her Richtung Zuffenhausen gefahren – mit demselben Phänomen.

Und wie läuft es inzwischen auf der Autobahn?

Seit 9. November 2021 ist die neue Bußgeldverordnung in Kraft – inklusive dem einmonatigen Fahrverbot. Eine zu harte Strafe? „Wenn beispielsweise ein Unfallopfer stirbt, weil ein Rettungswagen nicht rechtzeitig durchkommt, haben wir wohl eine andere Diskussion“, sagt Polizeisprecher Burkhardt. Bei über 100 Verstößen, bei denen jeder einzelne ein Einsatzfahrzeug um Sekunden aufhalte, könne man erahnen, wie viel Zeit insgesamt bis zum Eintreffen verloren gehe.

Dabei scheint es auf den Autobahnen inzwischen besser zu funktionieren. Von mehr als hundert Verstößen ist dort längst nicht die Rede. Bei einem Unfall Mitte November auf der A 81 bei Asperg (Kreis Ludwigsburg) mit 22 000 Euro Schaden und einem zwölf Kilometer langen Stau vermeldete die Polizei lediglich sechs Verstöße.