Nach mehreren schweren Unfällen, die sich in diesem Jahr in der Kappelbergstraße ereignet haben, werden nicht nur im Bezirksbeirat die Rufe nach Tempo 30 wieder lauter. Aus Sicht der Verwaltung besteht jedoch kein Handlungsbedarf.
Linienbusse, Lastwagen, Autos. Auf der Kappelbergstraße, die den Untertürkheimer Ortskern mit Luginsland und Fellbach verbindet, geht es häufig eng zu. So eng, dass sich eine junge Mutter in einer Gelben Karte an die Stadt gewandt und sogar mit einer Klage gedroht hat, sollte nichts passieren. Ihre Kritik: viel zu schmale Gehwege und viel zu hohe Geschwindigkeiten. Die Stadt hat bereits reagiert und an mehreren Stellen breite durchgezogene Linien am Fahrbahnrand anbringen lassen, damit Fußgänger mehr Abstand zu den anderen Verkehrsteilnehmer haben. Darüber hinaus wird untersucht, ob der Gehweg im Rahmen der Modernisierung der Ampelanlage zur Großglocknerstraße verbreitert werden kann. Dieser Schritt folgt aber wohl erst im Jahr 2027, sobald andere Straßenarbeiten abgeschlossen worden sind. Für die Anwohnerin ist das alles nicht genug. „Die Situation hat sich nicht entspannt. Vor allem die Busse überfahren die Linie regelmäßig. Mit einem Kinderwagen ist es dort sehr gefährlich“, sagt die 38-jährige Mutter, die genervt ist, weil sie immer wieder vertröstet worden sei. „Es muss endlich etwas passieren.“
Mann angefahren und geflüchtet
Passiert ist in der Kappelbergstraße in diesem Jahr schon so einiges. Auf der rund 800 Meter langen Strecke hat es bereits fünfmal gekracht. Der wohl schwerste Unfall ereignete sich Anfang September. Damals sind zwei Autos frontal zusammengestoßen. Drei Beteiligte wurden verletzt, eine 42-Jährige schwer. Sie musste von der Feuerwehr aus ihrem VW befreit werden. Ende Juli wurde zudem ein Zeitungsausträger, der die Fahrbahn überqueren wollte, vom Fahrzeug eines Unbekannten angefahren. Der Mann wurde später mit Rippenbrüchen am Straßenrand entdeckt, vom Unfallgegner fehlt bis heute jede Spur, die Fahndung läuft aber noch.
Die Kollisionen wären bei niedrigeren Geschwindigkeiten möglicherweise glimpflicher ausgegangen. Daher werden auch im Untertürkheimer Bezirksbeirat die Forderung nach Tempo 30 statt 50 in der Kappelbergstraße lauter. Doch die Verwaltung blockt ab. Mängel in der Infrastruktur seien nicht vorhanden, daher sehe man derzeit keinen Handlungsbedarf, teilt Stadtsprecher Oliver Hillinger mit. „Bei den meisten Unfällen handelt es sich um individuelle Fahrfehler.“ Außerdem weist er darauf hin, dass es sich bei der Kappelbergstraße um eine Vorbehaltsstraße im Stuttgarter Straßennetz handeln würde. „Über solche Straßen wird der Verkehr flüssig und leistungsfähig abgewickelt.“ Eine Rechtsgrundlage für eine Beschränkung der Geschwindigkeit sei bislang nicht gegeben.
Gründe aus Sicht der Anwohnerin nur vorgeschoben
Daran könnte das vom Gemeinderat beauftragte Lärmgutachten etwas ändern. Sowohl in der Kappelbergstraße als auch in der anknüpfenden Fellbacher Straße wird geprüft, ob dort der Verkehr nachts zu laut ist und daher Tempo 30 angeordnet werden kann. Und genau hier hakt die 38-jährige Anwohnerin ein. Sie versteht nicht, dass in der Verlängerung der Straßen auf Fellbacher Gemarkungsgrenze das Tempolimit bereits rund um die Uhr gilt. „Die Gründe, die gegen die generelle Reduzierung der Geschwindigkeitsbegrenzung sprechen, sind nur vorgeschoben. Dank einer Änderung der Straßenverkehrsordnung, die vom Bundesrat am 5. Juli abgesegnet wurde, wäre es kein Problem, Tempo 30 in der Kappelbergstraße anzuordnen. Zum einen, weil Spielplätze in der Nähe sind, zum anderen, weil es sich um einen Schulweg handelt“, sagt sie. „Ich gebe erst Ruhe, wenn es hier gilt.“