Der Tübinger OB Boris Palmer hat am Mittwoch eine 365 Meter lange Brücke für Radfahrer eingeweiht. Ein teures Bauprojekt in einer Zeit, in der Tübingen rund 40 Millionen Euro im Haushalt fehlen, wie Palmer bei Markus Lanz berichtete.
Tübingen braucht viel Geld: Rund 40 Millionen Euro fehlen im Haushalt, wie OB Boris Palmer bei Markus Lanz am Dienstagabend berichtet hat. Das gewaltige Haushaltsloch könnte man zwar durch mehrere, drastische Maßnahmen stopfen: Verdopplung der Grundsteuer für alle, Streichung jeder zweiten Busfahrt, Schließung eines Theaters und eines Hallenbads, doch „da können Sie sich vorstellen, was das in der Bevölkerung auslöst“, warnte Palmer.
Einen Tag später dann eröffnet der Ex-Grüne eine Radbrücke in der Unistadt. Kosten: 16 Millionen Euro. Gut, es ist eine besondere Brücke: 365 Meter lang, an der höchsten Stelle zehn Meter über den Bahngleisen – und im Winter beheizbar. Doch man fragt sich angesichts des dramatischen Bilds, das der OB einen Tag zuvor bei Lanz gezeichnet hat, wie sich Tübingen solch ein teures Projekt leisten kann?
Bau der Brücke startete im April 2022, da war das Geld noch nicht knapp
„Ohne die Zuschüsse von Bund und Land wäre das nicht finanzierbar gewesen“, sagte Palmer bei der offiziellen Eröffnung am Mittwoch. Denn von den insgesamt 16 Millionen Euro trägt der Bund 7,3 Millionen, das Land vier Millionen Euro. Bleiben noch rund viereinhalb Millionen Euro für die Unistadt. „Das ist immer noch viel Geld für den städtischen Haushalt“, gibt Palmer zu. Aber er würde es heute wieder genauso machen. Schließlich habe das ganze Land bei der Infrastruktur einen „riesigen Investitionsstau“. Dieser Umstand lasse sich etwa an den Problemen der Deutschen Bahn erkennen. Zudem sei der Radverkehr „das umweltfreundlichste und für die Kommunen billigste Verkehrsmittel“, so Palmer: „Deshalb lohnt sich diese Investition.“
Und schließlich startete der Bau der besonderen Radbrücke im April 2022 zu einer Zeit, in der in Tübingen das Geld noch nicht derart knapp war wie im Moment. Nach Palmers Ausführungen über das Haushaltsloch bei Lanz hakte der Moderator nach: „Ist Tübingen nicht eine prosperierende Stadt?“ Palmer entgegnete: „Waren wir bis vor zwei Jahren. Jetzt sind wir ein Sanierungsfall.“ Ursache seien „explodierende Sozialkosten“ bei gleichzeitig stagnierenden Einnahmen.
Auch OB Palmer profitiert von der Zeitersparnis durch die Brücke
Die Stimmung bei der Eröffnung am Mittwoch aber kann das nicht trüben. Zum „Brückenfest“ kommen deutlich mehr Besucher als der Oberbürgermeister erwartet hatte. Gemeinsam mit mehr als hundert Radfahrern weiht der Oberbürgermeister die neue Radbrücke ein. Die Konstruktion verbindet nun das Tübinger Stadtzentrum mit der Südstadt – und spart Radfahrern künftig viel Zeit.
Auch der OB selbst profitiert: Auf seinem Weg vom Rathaus zur Kreistagssitzung. Für das Foto wird eine Rauchbombe gezündet – und Palmer fährt auf blauem Untergrund im blauen Anzug durch blau-roten Nebel. Als Mann an der Rathausspitze natürlich in vorderster Reihe.