Was ist für Händler, Auto- und Radfahrer sowie Klimaschützer wichtig in der nördlichen Bahnhofstraße? Eine Bürgerbefragung zur Umgestaltung der Fellbacher Nord-Süd-Achse soll Klarheit bringen.
Es war, um im hiesigen Idiom zu bleiben, ein Versucherle. Doch wie es so bei eigentlich befristeten Appetithäppchen schon mal sein kann: Sie haben eine viel längere Verweildauer,als anfangs gedacht. Denn immerhin mehr als sieben Jahre liegt es zurück, dass Mitte Mai 2017 in der nördlichen Bahnhofstraße in Fellbach eine eigentlich auf lediglich zwölf Monate anberaumte Testphase mit zwei wesentlichen Neuerungen gestartet wurde: Zum einen wurden die Radfahrer vom bisherigen Radweg auf die Straße verbannt, wo sie im üblichen Verkehr mit Autos und Lastwagen „mitschwimmen“ sollen. Zum anderen wurde Tempo 30 eingeführt, damit dieser Mischverkehr die Radler nicht ganz so unter Druck setzt.
Radler benutzen verbotenerweise den Radweg
In dieser einjährigen Testphase sollte das Modell auf der knapp 800 Meter langen Strecke zwischen Stuttgarter Platz und Bahnunterführung ausprobiert werden. Oft kann jedoch beobachtet werden, dass die Radelnden den immer noch vorhandenen Radweg eben doch benutzen, auch wenn das offiziell nicht mehr vorgesehen ist und gelegentlich von Ordnungsbeamten der Stadt bei Kontrollen angemahnt wird. Viele Radfahrer fühlen sich eben unsicher auf der Straße, wenn sie von Autofahrern bedrängt oder oft auch beschimpft werden, obwohl sie sich völlig korrekt verhalten.
Die gelegentlich genannten europäischen Vorbilder zur Verbesserung des Radverkehrs führten kürzlich im Gemeinderat zu einem Bonmot durch Freie-Wähler-Stadtrat Thomas Seibold: „Fellbach ist nicht Amsterdam oder Kopenhagen.“ Beate Wörner (Grüne) sprach von einer „eierlegenden Wollmilchsau“, wenn man alle Anforderungen an die neue nördliche Bahnhofstraße umsetzen wolle. Denn der Umbau wird auch deshalb immer dringender, weil die Wasserrohre unterhalb der Verkehrsachse bereits mehr als 100 Jahre alt sind.
Die nördliche Bahnhofstraße jedenfalls muss in Zukunft eine Vielzahl an Anforderungen erfüllen. In ihr wird gewohnt und eingekauft, sie wird von Pendlern, Fußgängern, Radfahrern und den Bussen genutzt, sie ist Schulweg und Aufenthaltsfläche. Wo liegen die Prioritäten? Derzeit läuft eine Bürgerbefragung zur Umgestaltung der Bahnhofstraße. Der digitale Befragungsbogen ist auf Homepage der Stadt eingestellt und kann von meinungsstarken Interessenten bis 9. August ausgefüllt werden.
Der Fragekatalog ist umfassend: Es geht um Verkehrssicherheit, Einkaufen, Gestaltung oder auch um Klimaschutz, um die Fragen des persönlichen Interesses und um den dortigen Einzelhandel. Im Gemeinderat erklärte Oberbürgermeisterin Gabriele Zull: „Es gibt noch keine fertigen Pläne. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Beteiligungen und der großen Befragung fließen in die Konzeption mit ein.“ Und sie verspricht: „Die Bahnhofstraße soll eine Einkaufsachse bleiben.“ Gemünzt ist dies insbesondere auf den vehementen Protest von Einzelhändlern in der Bahnhofstraße, die sich vor wegfallenden Parkplätzen und als Folge deutlichen Umsatzeinbrüchen fürchten.
Der jetzige Fragebogen wurde denn auch in Abstimmung mit dem Gewerbe- und Handelsverein erstellt. Die Ergebnisse werden im Herbst im Gemeinderat vorgestellt.
Hintergrund: Wer den Fragebogen nicht digital, sondern in Papierform ausfüllen möchte, kann ihn im Stadtplanungsamt im Rathaus abholen. Für Fragen steht das Stadtplanungsamt (stadtplanungsamt@fellbach.de) zur Verfügung. Der Fragebogen kann über die Homepage der Stadt abgerufen werden: www.fellbach.de/Fragebogen-noerdliche-Bahnhofstrasse