Darf ein Soldat in Uniform ein Eis essen? Diese Frage wird derzeit in der Truppe heftig diskutiert. Was nach einer Posse klingt, berührt auch ernstere Fragen.
Es sind bewegende Zeiten für die Bundeswehr: Die „Zeitenwende“ ist in vollem Gange, es wird über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert, Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert mehr Geld, um die Truppe „kriegstüchtig“ zu machen. Doch es ist ein anderes Thema, das gerade viele Soldaten bewegt: ein Eis. Genauer gesagt ein „McFlurry“-Eis von McDonalds. Die Debatte begann mit einem Post im sozialen Netzwerk „Reddit“. Dort berichtete ein Nutzer von einem Vorfall: An einem Bahnsteig habe er in seiner Bundeswehruniform ein solches Eis verspeist. Dann sei ein Leutnant, also ein Nachwuchs-Offizier, auf ihn zugekommen und habe ihn angebrüllt – „weggesprengt“, wie es im Bundeswehr-Jargon heißt. „Ich solle doch mein Eis wegschmeißen, unsoldatischer kann ich ja nicht sein, ob mir meine Außenwirkung sch***-egal sei und ob ich einfach keine Disziplin hätte“, schreibt der Nutzer in seinem Post. Die anderen Fahrgäste auf dem Bahnsteig hätten komisch geguckt, ihm sei das Ganze sehr unangenehm gewesen.
Nachprüfen lässt sich die Geschichte nicht. Aber sie bewegt offenbar viele Soldaten. Die meisten solidarisieren sich mit dem Eisliebhaber. Und so kommt es, dass man in sozialen Medien plötzlich viele Fotos von Soldaten sieht, die in Uniform Eis essen. Bevorzugt am Bahnhof.
Und einige gehen noch weiter: Ein Nutzer entwarf einen Aufnäher in Eisbecher-Form, der an der Uniform statt des Abzeichens der Einheit getragen werden kann. Anstelle des McDonalds-Logos prangt dort das Wappen der Bundeswehr mit Eisernem Kreuz.
Auch wenn das Ganze vor allem ein Spaß ist, geht es dabei doch um durchaus relevante Fragen – etwa ob die Führungskultur der Bundeswehr zeitgemäß ist. „Wir leben nicht mehr im Zeitalter der Preußen“, hat ein Nutzer unter den Post geschrieben. Andere raten dem „weggesprengten“ Soldaten dazu, den Leutnant zu melden.
Viele sorgen sich auch um die Außenwirkung, die die Szene auf die umstehenden Menschen am Bahnsteig hatte – nicht wegen des Eisliebhabers, sondern wegen des Offiziers. Sein Verhalten schade nicht zuletzt der Bundeswehr, da sind sich fast alle Nutzer einig. In Zeiten, in denen der Bundeswehr der Nachwuchs fehlt, ist das tatsächlich bedenkenswert. Im Jahresbericht der Wehrbeauftragten heißt es, immer weniger junge Frauen und Männer könnten sich vorstellen, bei der Bundeswehr zu dienen. Und das sind Umfragezahlen aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg.
Politiker und Beamte im Verteidigungsministerium fragen sich verzweifelt, wie man mehr junge Menschen zur Bundeswehr locken kann. Erst kürzlich schlug Verteidigungsminister Pistorius vor, die Bundeswehr könne zur Nachwuchsgewinnung ja Wehrpflichtigen den Führerschein bezahlen. Ein Leutnant, der in aller Öffentlichkeit einen Kameraden wegen eines Eises anschreit, hilft jedenfalls nicht, den Dienst in den Streitkräften attraktiver zu machen.
Auf Nachfrage dieser Redaktion beim Verteidigungsministerium will man sich dort zwar nicht zu dem konkreten Vorfall äußern, verweist aber auf das Soldatengesetz. Dort ist in Paragraf 17 vorgeschrieben, dass das soldatische Verhalten auch außer Dienst dem Ansehen der Bundeswehr gerecht werden muss. Eine Sprecherin betont jedoch: „Der öffentliche Verzehr von Speisen steht dieser soldatischen Wohlverhaltenspflicht grundsätzlich nicht entgegen.“