Jeder lebt einsam vor sich hin und kämpft sich alleine über die Alltagshürden? Die Gründer des Verein Alternatives Wohnen Esslingen wollen lieber zusammen unter einem Dach wohnen.
Esslingen"Als ich mit meinen zwei Kleinkindern zuhause war, habe ich um mich geguckt und festgestellt: Das ist nicht gut für mich. Man ist einsam, kämpft für sich mit seinen Kindern und um einen herum geht es anderen genauso“, sagt Ariane Gölz. Sie hatte schon lange den Wunsch, in einer größeren Gemeinschaft zu wohnen, sich mit gemeinschaftlichem Wohnen beschäftigt, „aber das Netzwerk hat mir gefehlt“. Als dann endlich in der Region, genauer gesagt im Kesselhof in Stuttgart-Botnang, ein erstes solidarisches Wohnprojekt mit dem Mietshäuser Syndikat gestartet wurde, wollte die 36-Jährige im Mai zur Infoveranstaltung fahren – und lud gleich ein paar Freunde ein, mitzukommen. Das war der Startschuss für den Verein Alternatives Wohnen Esslingen, in dem sich mittlerweile eine bunte Truppe gefunden hat – von der Hebamme Gölz bis zum Werbefachmann Olaf Brastowski.
Zum harten Kern gehören zwölf Erwachsene, die meisten im Alter zwischen 30 und 40, aber auch Kinder und eine Frau im Alter über 60 sind darunter. Sie sind angestellt, selbstständig oder freiberuflich tätig, und in unterschiedlichsten Lebenssituationen vom Single über das Paar bis zur jungen Familie. Sie alle haben momentan ein Dach über dem Kopf und sind in keiner akuten Notsituation, wollen aber nicht mehr alleine leben, sondern am liebsten in einer Mehrgenerationen-Gemeinschaft, die sie aktiv mitgestalten können. „Das gängige Modell von Wohnen und Kleinfamilien müssen wir hinterfragen“, sagt Gölz. Gemeinschaft sei ein Grundbedürfnis vieler Menschen, das oft zu kurz komme. Sie wollen sich ein Haus in Esslingen suchen, das sie selbst verwalten und gemeinsam für sich gestalten können – zum Beispiel mit Gemeinschafts- neben Privaträumen.
Aber auch leistbare Mieten sind ein Thema: „Viele bezahlen für ihre Wohnung mittlerweile die Hälfte ihres Nettoeinkommens“, sagt Brastowski. Müsse er eines Tages innerhalb Esslingen umziehen, würde er nichts Vergleichbares zu einem akzeptablen Preis finden, ist sich der 44-Jährige sicher.
Das Syndikatsprinzip
Die Vereinsmitglieder wollen bei ihrem Projekt mit dem Mietshäuser Syndikat zusammenarbeiten, einer Organisation, die weit mehr als hundert gemeinschaftliche Hausprojekte ermöglicht hat. Ein Hausverein gründet mit dem Syndikat eine GmbH, die das Hausprojekt mittels Spenden, Direktkrediten und mit Bankendarlehen finanziert – auch die Bewohner können so viel beisteuern, wie ihnen möglich ist. Abbezahlt wird durch die Mieten der Bewohner, die unter Marktniveau liegen. Die Immobilie kann nicht an Investoren verkauft werden. „Sie bleibt Allgemeingut“, erklärt Brastowski. Mieten steigen nicht aufgrund von Renditeerwartungen. Bewohner haben Wohnrecht und können nicht auf die Straße gesetzt werden. So wird sozialverträglicher Wohnraum geschaffen. Auf der anderen Seite passe eine Bleibe nicht ein Leben lang – dann können die Projektbeteiligten ausziehen und Platz für neue Mieter machen. Auch ein Vorteil, für die Allgemeinheit, statt für sich privat Wohnraum zu schaffen, findet Gölz: „Eine Immobilie macht immobil.“
Nun hoffen Gölz, Brastowski und ihre Mitstreiter einerseits darauf, dass die Stadt, eine Gemeinde im Umkreis von Esslingen oder ein Privateigentümer ihnen eine Immobilie – oder auch einen Bauplatz – zu günstigen Konditionen verkauft. Außerdem könnte die Stadt dem Tübinger Beispiel folgen, wo die Kommune ein Syndikatsprojekt mit einem Kredit finanziell gefördert hatte. Andererseits wollen sie weitere Interessierte motivieren. Denn bei nur einem Hausprojekt soll es nicht bleiben. „Wir wollen das Ganze fortführen. Unser Solidaritätsanspruch ist ernst gemeint“, sagt Brastowski. Der Verein soll ein Netzwerk für gemeinschaftliche Wohnprojekte werden.
Alternatives Wohnen Esslingen lädt zur Gründungsfeier des Vereins am Dienstag, 29. Oktober, 19.30 Uhr im Fuenfbisneun (Maille 5 – 9) ein. Das Mietshäuser Syndikat stellt sich vor. Infos: www.alwo-es.de.