Für Gerlinde und Hermann Schuster aus Löchgau hat sich früh abgezeichnet, dass der Weg von Sohn Julian auf die Trainerbank führen kann. Doch wie haben sie das Debüt beim Derby des SC Freiburg erlebt?
Welche Gefühle bewegen einen, wenn der Sohn gerade den wohl aufregendsten Moment seiner beruflichen Laufbahn erlebt und unzählige Fotokameras auf ihn gerichtet sind? „Mit Ablenkung und der Fokussierung auf das Fußballspiel selbst“, sagt Gerlinde Schuster. Zum Bundesliga-Auftakt hat sie mit ihrem Mann Hermann, Schwiegertochter Sarah, den Enkeln und zahlreichen Freunden aus Löchgau in Freiburg im Europa-Park-Stadion die Bundesliga-Premiere von Julian Schuster als Coach des SC Freiburg gegen den VfB Stuttgart erlebt. „Ich habe mich auf das Derby konzentriert, gehofft, dass der SC gewinnt und ausgeblendet, dass unser Sohn da auf der Bank sitzt“, sagt sie. Es ist alles gut gegangen. Für Julian, den SC und die Schusters: Derbysieg.
Es war der erste Streich von Schuster, der vor zwei Monaten die Oberaufsicht über die Freiburger Profis übernommen hat. Nach dem Spiel hat sich der 39-jährige Rosa, mit fünf Jahren die jüngste seiner vier Kinder, geschnappt und ist mit ihr auf den Rasen gelaufen. Weil der Platz der Eltern gleich über der Interviewzone des übertragenden Senders Sky lag, haben sie verfolgt, wie ihr Junior mit dem für ihn typischen Lächeln die Fragerunde gemeistert hat. Danach hat sich Julian Schuster auch noch einmal per Handschlag bei den Unterstützern aus Löchgau auf der Tribüne bedankt. So ist er eben. Normal. Bodenständig. Eigenschaften, die ihm für das stressige, nervenaufreibende Amt sicherlich hilfreich sein werden.
Beide Schuster-Brüder waren beim VfB Stuttgart
Vor der Partie hat Hermann Schuster morgens noch kurz bei Julian Schuster in dessen Haus im Stadtteil Littenweiler vorbeigeschaut. „Äußerlich war er wie immer, ruhig und gelassen“, verrät der 70-Jährige im Rückblick. Er sitzt im Wohnzimmer seines schmucken Hauses im Forchenweg in Löchgau. Hier erinnert zunächst nichts an den bekannten Sohn. Im Eingangsbereich fallen die sieben quadratischen Fotos von Kindern auf. „Das ist unsere Enkelgalerie“, sagt Hermann Schuster. In einem Kellerraum ist die Spurensuche dann erfolgreicher. Hier dreht sich nämlich alles um Fußball. Und natürlich um Julian Schuster und dessen Bruder Robin, zwei Jahre jünger und früher als Fußballer bei den zweiten Mannschaften des VfB Stuttgart und beim SC Freiburg aktiv – und heute der Berater von Julian.
Als erstes fällt der Blick auf den Tischkicker und ein Tipp-Kick-Spiel. In einem Regal stehen an die 60 Pokale, von denen Schuster aber auch einige beim Tennis gewonnen hat. An der Wand hängen die Trikots von Julian Schuster – die 36 trug er beim VfB, die 23 beim SCF – lange auch als Kapitän. Und prompt fällt Vater Hermann ein Spruch vom ehemaligen Freiburger Stürmer Nils Petersen ein, der Julian als „den längsten verlängerten Arm eines Trainers, den er je gesehen hat“, beschrieben hat.
„Der Julian lebt die DNA des SC Freiburg“
Auch für die Schusters hat sich abgezeichnet, dass für Julian der Weg in Freiburg auf die Trainerbank führen könnte. Und ihnen fallen einige Argumente ein, warum es eine Erfolgsgeschichte werden könnte. „Der Julian lebt die DNA des SC Freiburg und ist ein Teamplayer“, sagt Hermann Schuster. Und auch die SC-Fans wissen, was sie an ihm haben. 4500 kamen zum Saisonauftakt. So viele, wie nie zuvor. Für sie ist klar: der Schuster ist Freiburg und der Sport-Club ist Schuster. Seit 16 Jahren dort zu sein, sei ein Riesenvorteil, meint der Vater. Er bringe Selbstbewusstsein, Zielstrebigkeit und Freude mit. „Und ich weiß, dass auch Streich große Stücke auf Julian hält“, sagt er.
Hermann Schuster weiß das aus Gesprächen am Rande von Jugendspielen, denn ein Sohn von Julian Schuster spielt zusammen mit Streichs Sohn in einer Mannschaft. Hermann Schuster ist sicher, dass Julian seinen eigenen Weg gehen, den Vorgänger also nicht imitieren wird. Das Kicken hat er beim FV Löchgau gelernt, bis zur C-Jugend wurde er von seinem Vater trainiert, der noch immer im Vorstand des Landesligisten ist. Beim VfB Stuttgart hat sich schließlich die Türe zum Profifußball geöffnet.
Ein Ärgernis? Wenn Schuster als Bietigheimer bezeichnet wird
Julian Schuster ist aktuell das wohl prominenteste Mitglied der 6000-Einwohner-Kommune. Deshalb, so erzählt Gerlinde Schuster, ärgert es die Löchgauer auch immer wieder aufs Neue, wenn er in Zeitungsberichten als Bietigheimer bezeichnet wird, nur weil die Geburt eben dort im Krankenhaus stattgefunden hat. Julian Schuster hält sich da raus. „Inzwischen fühlt er sich mehr als Südbadener denn als Schwabe“, sagt der Vater. Er liebe das Lebensgefühl in der Stadt, die Kulinarik und weil er von dort aus so schnell in der Natur sein kann. Vor drei Jahren ist dann auch Robin Schuster an die Dreisam gezogen, nur eine Straße von seinem Bruder entfernt.
Mittlerweile kommen die Söhne nicht mehr so oft nach Hause, weil die Enkel allesamt an den Wochenende im Sportverein aktiv sind. Darum sind die Schusters nun so oft wie möglich in Freiburg.
Sie haben ihren Sohn auch am vergangenen Samstag in der Allianz Arena beim 0:2 gegen die Bayern unterstützt. Da richteten sich die Kameras dann hauptsächlich auf den Trainerkollegen Vincent Kompany bei dessen Heimdebüt für die Münchner. Auch diesmal konnte sich Gerlinde Hermann gut ablenken – allerdings mit einem Aufreger, denn wie alle Freiburg-Fans ärgerte auch sie sich über den umstrittenen Elfer für den Rekordmeister.