„Freischwimmen“ nennt Vanessa Mai das, was sie in den vergangenen Jahren vom einst eher klassischen Schlager entfernt hat. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Singt Vanessa Mai jetzt eigentlich Schlager? Oder rappt sie? Oder beides? Egal, sagt sie, und produziert weiter „frei Schnauze“. Nicht nur auf ihrem neuen Album „Metamorphose“. Das wirkt grenzenlos. Aber ist es dadurch auch beliebig?

Man könnte sagen, Vanessa Mai sei wieder dort angekommen, wo für sie alles begonnen hat. In der Welt der Schlager, der gängigen Melodien und seichteren Texte, der Ohrwurm-Refrains, des Herzschmerzes. Weit gefehlt. Denn die frühere Schlagersängerin ist im Laufe der vergangenen Jahre einen großen Schritt weiter gekommen.

Herz, Schmerz und Schlager sind mittlerweile lediglich Teile des Programms, die einstigen Genregrenzen hat sie schon lange hinter sich gelassen. Aber ein neues Genre? Da scheint sich Mai nicht festlegen zu wollen, wie auch ihr neues Album mit dem treffenden Titel „Metamorphose“ zeigt (Veröffentlichung am 12. August).

Stärker noch als in den vorangegangenen, jährlich erscheinenden Alben spielt die 30-Jährige aus dem württembergischen Backnang nun mit den Kategorien. „Ich habe angefangen, Musik zu machen, völlig unbeschwert und frei von jeglichen Schubladen“, sagt sie. Auf Dauer könnte genau das vielleicht ein Problem werden, denn sie riskiert dabei, beliebig zu werden.

„Metamorphose“ mit Schlager und Rap

„Freischwimmen“ nennt die Musikerin das, was sie in den vergangenen Jahren vom einst eher klassischen Schlager entfernt hat. „Ich habe mich von vielen Dingen befreit und stehe jetzt einfach sehr unabhängig da“, sagt sie. „Ich muss jetzt niemanden mehr fragen, was ich machen darf, es ist mein eigenes Ding geworden.“ Das sei keineswegs ein fehlendes Konzept, sondern die Lust, zu machen, was sie wolle.

Und so finden sich auf ihrem achten Studioalbum „Metamorphose“ satte Schlagerzuschnitte wie „Süchtig“ und „Vibe“, das erotisch aufgeladene „Zehenspitzen“ und die jüngste Single-Auskopplung „747“, in der Mai ihre eigene Geschichte in der dritten Person erzählt („Kein Ziel zu groß, kein Weg zu weit. Doch keiner, der dran glaubt. Ein Schritt zurück und zwei nach vorn, sie gibt nicht auf“).

Wenig überraschend wird Mai auf der Suche nach Kooperationen erneut bei Künstlern aus der Rap- und Hip-Hop-Szene fündig. Mit Sido hat sie bereits den Song „Happy End“ veröffentlicht, auch „Als ob du mich liebst“ mit Popsänger Mike Singer, „Melatonin“ (ART) und „Schwarze Herzen“ mit CIVO lassen von Mais einstiger musikalischer Heimat und frühen Erfolgssongs wie „Mein Herz schlägt Schlager“ (2015) wenig erahnen. Aber es hat auch etwas Erfrischendes, im Tracklisting von modernen Beats und Rappern überrascht zu werden, wo man sonst Liebesschmerz und vielleicht auch eine Prise Kitsch erwarten würde.

Vanessa Mai: “Ich weiß, wo meine Wurzeln sind“

Für Mai ist auch „Metamorphose“ kein Ausstieg. „Mir wurde immer vorgeworfen, dass ich raus will aus dem Schlager, dass ich das uncool fand“, sagt sie. „Aber ich weiß, wo meine Wurzeln sind, und ich weiß, wo ich herkomme. Und es wird auch immer so bleiben. Da komme ich her, und ich bin da auch nach wie vor stolz drauf.“

Für sie sei Musik grenzenlos, betont Mai im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Andrea Berg trinkt mit mir Jägermeister beim Videodreh, und Sido sitzt neben mir im Angelcamp und wir stoßen an.“ Mit Berg, Stief-Schwiegermutter und überaus erfolgreicher Schlagerstar seit 30 Jahren, hat sie auch ihren ersten gemeinsamen Song „Unendlich“ veröffentlicht, der den zum Teil schubladenfreien Mix auf dem neuen Album mit einer Art Hymne ans Wir-Gefühl abschließt.

30-Jährige schreibt Autobiografie

Für die 30-Jährige, die vor sieben Jahren mit „Wolke 7“ ihren ersten großen Solo-Erfolg feierte, schließt sich ein Kreis. „Ein Kreis zu mir zurück“, wie sie es selbst sagt. Das Album sei etwas Besonderes, es fasse alles zusammen, „meine ganze Karriere und alles, was passiert ist, alles, was viele nicht verstanden haben, was auch auf Unmut gestoßen ist und auf Unverständnis. Jetzt ergibt es Sinn.“

Weil vielleicht so ein Album nicht ganz ausreicht fürs Erklären, ist die Backnangerin unter die Buchautorinnen gegangen: Im November gibt sie trotz des vergleichsweise jungen Alters in ihrer ersten Autobiografie private Einblicke - Titel standesgemäß: „I do it Mai way“. „Das Buch zu schreiben war sehr reflektierend für mich“, sagt sie. „Es tut gut, alles mal aufzuschreiben, eine Abrechnung wird es aber nicht sein.“

Mai kommt auch abseits der Musikszene immer mehr als Wundertüte daher, als „Künstlerin frei Schnauze“: Für den SWR-Youtube-Kanal zieht sie in „On Mai Way“ auch weiterhin die Turnschuhe an und interviewt schwitzende Gäste auf dem Laufband, sie steht im Spielfilm vor der Kamera und bringt eigene Mode-Kollektionen auf den Markt.