Joe Biden posiert für Fotos mit seinen Anhängern. Das Bild entstand am Nationalfeiertag. Foto: dpa/Patrick Semansky

Seine Infrastruktur-Agenda für die Vereinigten Staaten kommt mit dem Beschluss im Senat einen großen Schritt voran. Die Vorgänger des US-Präsidenten waren bei den Zukunftsthemen nicht so weit gekommen.

Washington - Am Ende wollte selbst der Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, nicht außen vorstehen. Der gewiefte Taktiker, der zu Beginn der Amtszeit Joe Bidens versprochen hatte, dessen Reformversprechen in dem 50 zu 50 geteilten Senat nach Kräften zu blockieren, wollte mit der überparteilichen Mehrheit die Rekordsumme von 1,2 Billionen Dollar in die marode Infrastruktur der USA zu investieren. Das Abstimmungsergebnis hatte sich bereits abgezeichnet: Demokraten wie Republikaner haben das Infrastrukturpaket verabschiedet.

McConnells Kollege Rob Portman, der für die Republikaner die Verhandlungen mit den Demokraten führte, lieferte in seiner Rede die Erklärung für die überraschend starke Unterstützung des Gesetzespakets nach. „Die Menschen hier in Amerika erwarten, dass wir angesichts unserer großartigen Wirtschaft die Welt auch bei der Infrastruktur anführen“, sagte Portman bei der Debatte des Pakets im Senat. „Aber es ist nicht so“.

Die Infrastruktur des Landes ist veraltet

Das Problem der veralteten Verkehrs-, Energie- und Datennetze in den USA ist seit Langem offensichtlich. Die drei Vorgänger Bidens im Weißen Haus hatten im Wahlkampf versprochen, dies zu ändern, sind aber angesichts der extremen Polarisierung der US-Politik keinen Schritt weitergekommen.

Donald Trump, der als Präsident selber keinen konkreten Vorschlag für ein Infrastruktur-Gesetz unterbreitet hatte, versuchte den überparteilichen Durchbruch im Senat bis zum Schluss zu torpedieren. Er drohte republikanischen Senatoren mit Konsequenzen, „die dumm genug sind, für diesen Deal zu stimmen“. Einer seiner Verbündeten im Senat, der Jungsenator aus Tennessee, Bill Hagerty, brachte die Fraktion am Wochenende mit seiner Verzögerungstaktik auf.

Am Ende änderte das wenig am Ausgang der auf Dienstagmorgen verschobenen Abstimmung, die 110 Milliarden Dollar in Straßen, Brücken und andere Großprojekte, 66 Milliarden Dollar in den Schienenverkehr und 39 Milliarden in den öffentlichen Personennahverkehr investiert. Weitere Milliardenbeträge fließen in die Modernisierung der Stromnetze, der Wasserwege, Glasfaserkabel, Ladestellen für Elektroautos, den Katastrophenschutz und in Umweltvorhaben.

Corona-Mittel werden umgeschichtet

Finanziert wird das Paket zu einem guten Teil durch die Umschichtung unverbrauchter Mittel aus dem Corona-Paket sowie einer Besteuerung von Transaktionen mit Krypto-Währungen. Der Rechnungshof des Kongresses (CBO) stellte eine Finanzierungslücke von 256 Milliarden Dollar fest, die am Ende durch Neuverschuldung finanziert werden muss.

Die nächste Hürde wartet nun im Repräsentantenhaus auf das Paket. Dort hat die Parteilinke der Demokraten genügend Stimmen, das Gesetz zu stoppen, falls es im Senat keine Unterstützung für das 3,5 Billionen Dollar teure Haushaltsgesetz gibt, mit dem Amerikas Sozial-, Alterssicherung-, Pflege- und Bildungssysteme fundamental überholt werden sollen.

Der sogenannte „Reconciliation“-Prozess erlaubt es, mit Ausgaben verbundene Gesetze in einem Nachtragshaushalt mit einfacher Mehrheit abzusegnen. Wenn alle Demokraten zusammenhalten, können sie mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris das Paket beschließen, in dem auch Reformen der Klima-, Einwanderungs- und Arbeitsgesetzgebung stecken.

Schumer spricht vom „kühnen Wechsel“

Senatsführer Chuck Schumer stellte das von Bernie Sanders zusammen mit John Yarmuth im Repräsentantenhaus vorbereitete Reformvorhaben bereits vor der Verabschiedung des Infrastrukturpakets am Montag vor. „Es ist der große, kühne Wechsel, nach dem Amerika durstet“, erklärte Schumer zu der weitreichendsten Ausweitung der sozialen Sicherungssysteme in den USA seit der „Great Society“-Politik Präsident Lyndon B. Johnsons vor 60 Jahren.

Unter anderen wollen die Demokraten über diesen Weg universalen Kindergarten, kostenlose Community Colleges, bezahlten Familienurlaub, Zahn- und Augenbehandlung im Rahmen der staatlichen „Medicare“-Krankenversicherung für Pensionäre, bezahlte häusliche Pflege, einen Weg zur Staatsbürgerschaft für die elf Millionen nicht dokumentierten Einwanderer und zahlreiche Umweltmaßnahmen finanzieren.

Schumer will das Haushaltskonsolidierungs-Verfahren mit einer Abstimmung im Senat noch diese Woche beginnen. Es geht dann in die Komitees von Senat und Repräsentantenhaus. Wenn es gelingt, die Demokraten gegen die geschlossene Opposition der Republikaner zusammenzuhalten, könnte der Nachtragshaushalt Mitte September vom Kongress beschlossen werden.

Speakerin Nancy Pelosi äußerte sich optimistisch, Mehrheiten für beide Gesetze zu haben. Dank des „transformativen Haushaltsgesetzes“ sei sie zuversichtlich, „die Vision Präsident Bidens und der Demokraten im Kongress erreichen.“