Der Skandal um russische Kopfgelder für die Tötung von US-Soldaten sorgt für mächtig Wirbel im Wahlkampf. Foto: AP/Rahmat Gul

Russland soll Extremisten in Afghanistan Geld für die Tötung von US-Soldaten versprochen haben. Nach Informationen der AP wusste das Weiße Haus bereits 2019 von den explosiven Vorwürfen – und unternahm nichts. Politiker beider Parteien fordern Aufklärung.

Washington - Ein Skandal um angebliche russische Kopfgelder für die Tötung von US-Soldaten in Afghanistan wirbelt den Wahlkampf in den Vereinigten Staaten durcheinander. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden warf Präsident Donald Trump einen „Verrat“ an den eigenen Truppen vor. Eine Sprecherin Trumps bekräftigte hingegen, dass der Präsident nicht über die Vorwürfe informiert worden sei. Abgeordnete beider Parteien forderten weitere Details und Konsequenzen für Russland und dessen Präsident Wladimir Putin.

Ein Sprecher der Taliban in Afghanistan teilte am Dienstag mit, dass US-Außenminister Mike Pompeo und Taliban-Unterhändler Mullah Abdul Ghani Baradar wenige Stunden zuvor telefoniert hätten. Ob dabei auch das angebliche Kopfgeld zur Sprache gekommen war, sagte er nicht.

Russische Kopfgelder wären nächste Stufe der Eskalation

Als erstes hatte am Wochenende die „New York Times“ berichtet, dass Russland nach Einschätzung von US-Geheimdiensten Kämpfern der Taliban und des mit ihnen verbündeten Hakkani-Netzwerks Geld für die Tötung von US-Soldaten angeboten haben soll. Gewährsleute bestätigten das auch der Nachrichtenagentur AP und berichteten, dass das Weiße Haus schon Anfang 2019 darüber informiert worden sei, was eine Sprecherin bestritt. Der Kreml tat die Berichte als „Lügen“ ab. Auch die Taliban dementierten.

Am Montag wurden republikanische Abgeordnete von der Trump-Regierung und Geheimdienstdirektor John Ratcliffe über den Sachverhalt informiert, am Dienstag sollten Demokraten folgen. Die ranghohen Republikaner Michael McCaul und Adam Kinzinger sagten, sollte sich der Sachverhalt bei einer Prüfung durch die Geheimdienste bestätigen, müsse die Putin-Regierung zur Rechenschaft gezogen werden.

Dass Russland in Afghanistan mitmischt, ist an sich nichts Neues. Doch Kopfgelder für die Tötung von US-Soldaten würden eine neue Stufe der Eskalation darstellen. Dass Trumps Regierung dennoch nichts unternommen haben soll, nahm Biden am Montag zum Anlass für eine Frontalattacke gegen den Präsidenten. „Ich bin angewidert“, sagte er potenziellen Spendern in einer Online-Veranstaltung und brachte den Militärdienst seines verstorbenen Sohnes Beau zur Sprache. Familien von US-Soldaten sollten sich niemals Sorgen darüber machen müssen, „dass der Oberbefehlshaber absichtlich wegschaut“.

Tailban und USA verhandelten zeitgleich über Friedensabkommen

Unter anderem untersuchten Geheimdienste, ob der Tod von drei US-Soldaten bei einem Anschlag im April 2019 mit den Kopfgeldern in Zusammenhang gestanden habe, verlautete aus informierten Kreisen. Als möglicher Hinweis auf solche Zahlungen wurde demnach die Tatsache gewertet, dass bei einem Einsatz einer US-Spezialeinheit in einem Taliban-Außenposten in diesem Jahr rund 500 000 Dollar gefunden worden seien.

Besonders heikel sind die Vorwürfe auch deshalb, weil die Taliban und die USA zeitgleich über ein Friedensabkommen verhandelten, das Ende Februar unterzeichnet wurde. Um dessen Umsetzung sei es auch in der Videokonferenz zwischen Pompeo und Taliban-Unterhändler Baradar gegangen, sagte der Taliban-Sprecher. Nächster Meilenstein im Friedensprozess sind Gespräche zwischen den Extremisten und der politischen Führung in Kabul über eine Nachkriegsordnung in Afghanistan, die irgendwann im Juli beginnen sollen.