Die EU-Kommission bereitet ein Verfahren gegen Deutschland vor. Foto: dpa/Aaron Chown

Das Urteil zu den Staatsanleihekäufen der EZB hat europaweit für Wirbel gesorgt. Nicht wenige sahen die europäische Rechtsgemeinschaft in Gefahr. Nun bereitet die EU-Kommission rechtliche Schritte vor.

Brüssel - Die EU-Kommission bereitet wegen eines umstrittenen Karlsruher Verfassungsurteils zu milliardenschweren Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland vor. Die formale Entscheidung solle bis Mittwoch im schriftlichen Verfahren fallen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel aus EU-Kreisen.

Anschließend hätte Deutschland zunächst einige Monate Zeit, schriftlich auf die Bedenken der EU-Kommission zu reagieren. Sollten die Sorgen der Behörde im Laufe des Verfahrens nicht ausgeräumt werden, könnte sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Die EU-Kommission ist in der Staatengemeinschaft für die Überwachung von EU-Recht zuständig.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2020. Dieses hatte die Wertpapierkäufe der EZB beanstandet - und sich damit zum ersten Mal gegen ein vorheriges Urteil des Europäischen Gerichtshofs gestellt. Eigentlich hat EU-Recht in der Staatengemeinschaft Vorrang vor nationalem Recht. Die EZB ist zudem politisch unabhängig. Diese Grundsätze sahen Kritiker durch das Urteil gefährdet.

Von der Leyen nimmt „diese Sache sehr ernst“

Die Verfassungsrichter argumentierten hingegen, die Notenbank habe mit dem 2015 gestarteten Programm ihr Mandat für die Geldpolitik überspannt. Bundesregierung und Bundestag sollten darauf hinwirken, dass Europas Währungshüter nachträglich prüfen, ob die Käufe verhältnismäßig sind. Mittlerweile haben Bundesregierung und Bundestag das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, wie das Gericht in einem Beschluss von Ende April feststellte.

Die EZB hatte zwischen März 2015 und Ende 2018 rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere gesteckt - den allergrößten Teil über das Programm PSPP (Public Sector Purchase Programme), auf das sich das Urteil bezieht. Zum 1. November 2019 wurden die umstrittenen Käufe neu aufgelegt, zunächst in vergleichsweise geringem Umfang von 20 Milliarden Euro im Monat.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte bereits kurz nach dem Urteil angekündigt, ein Verfahren gegen Deutschland zu prüfen. Damals bestand vor allem die Sorge, andere Länder könnten sich ein Beispiel am Vorgehen der deutschen Verfassungsrichter nehmen und künftig ebenfalls EuGH-Urteile ignorieren. Im Blick ist dabei unter anderem Polen.

„Ich nehme diese Sache sehr ernst“, betonte von der Leyen im Mai 2020. Sie argumentierte, dass es drei Grundprinzipien gebe: Die Währungspolitik sei allein Sache der EU; EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht; EuGH-Urteile seien für nationale Gerichte bindend. „Das letzte Wort zu EU-Recht wird immer in Luxemburg gesprochen. Nirgendwo sonst.“