Die Angeklagte hat mit der Karte des Opfers 400 Euro abgehoben. Foto: dpa/Marcus Brandt

Um an Kokain zu kommen, fordern eine Prostituierte und ihr Freund nach einem Sexspiel 3000 Euro von ihrem Opfer. Das Landgericht Stuttgart verurteilt die beiden zu Freiheitsstrafen.

Stuttgart/Esslingen - Bereits vor dem letzten Verhandlungstag hatten die beiden Angeklagten Geständnisse abgelegt. Zu abenteuerlich war die Geschichte gewesen, die sie Hans-Peter Schöttler aufgetischt hatten, der als Vorsitzender Richter den Prozess vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart leitete. Angeblich habe das Opfer für ein Sexspiel freiwillig 3000 Euro bezahlt, hatten die Angeklagten zunächst behauptet. Von einer Bedrohung mit einem Hammer und einem Messer, um die PIN-Nummer der EC-Karte zu erpressen, wollten sie angeblich nichts gewusst haben.

Relativ gefasst nehmen die Angeklagten das Urteil auf

Relativ gefasst nahmen die beiden dann das Urteil auf. Die 33-jährige Angeklagte wurde zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt, zudem muss sie in eine Entzugsklinik. Der 41-jährige Beschuldigte bekam eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. „Für beide Angeklagten war klar, dass sie keinen Anspruch auf das Geld hatten“, sagte der Vorsitzende Richter.

Die Staatsanwältin hatte in ihrem Plädoyer ein höheres Strafmaß gefordert, hatte sich doch der Tatvorwurf der gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung bestätigt. Die Vertreterin der Anklage schilderte, wie das Opfer, ein 33-jähriger Mann aus Filderstadt, in der Wohnung der Angeklagten in ein Rollenspiel, inklusive Hundehalsband und Lederkostüm, verwickelt wurde. Von Geld war zunächst nicht die Rede. Dabei wurden auch Sexszenen mit dem Handy aufgenommen. Als das Opfer später die dafür geforderten 3000 Euro nicht bezahlen konnte, bedrohten die Angeklagten ihn mit einem Hammer und einem Messer, damit er seine PIN-Nummer herausrückte. Daraufhin hob die 33-Jährige 400 Euro bei einem Geldautomaten ab. „Besonders verwerflich ist, dass Sie ihr Opfer dann noch mit einem Sexvideo erpressen wollten“, sagte die Staatsanwältin. Das wurde den Beschuldigten aber zum Verhängnis. Der Filderstädter zeigte das Erpresser-duo schließlich bei der Polizei an.

Die Mutter der Angeklagten erleidet einen Anfall

Doch welche Rolle spielte der hohe Kokainkonsum bei der Tat, stand die 33-jährige Esslingerin doch bereits seit vier Tagen ununterbrochen unter der Einwirkung der Droge? Ein forensischer Sachverständiger sollte die Frage der Schuldfähigkeit klären. Doch als der Gutachter die 33-Jährige zu ihrer Kindheit befragte, wurde es plötzlich laut auf den Zuschauerplätzen. Hysterische Schreie und lautes Weinen waren zu hören. Die Mutter der Angeklagten erlitt einen psychischen Zusammenbruch. Der Anfall war so heftig, dass der Gerichtssaal geräumt wurde und ein Notarzt die Frau versorgen musste.

Nachdem die Verhandlung wieder aufgenommen worden war, zeigte die 33-Jährige erstmals eine weichere Seite. Zuvor war sie durch aggressive und provokative Äußerungen aufgefallen. Unter Tränen erzählte sie, wie sie erst als Kind Gewalt in der Familie erlebt habe, später in der Ehe habe sie Schläge fürchten müssen. Nach der Scheidung ging die Abwärtsspirale immer weiter nach unten. Um ihren steigenden Kokainkonsum bezahlen zu können, ging sie als Escort-Lady der Prostitution nach. Doch je mehr Geld sie verdiente, desto mehr Drogen nahm sie.

Der forensische Gutachter sah jedoch weder bei der 33-Jährigen noch bei dem 41-Jährigen eine Persönlichkeitsstörung: „Beide waren während der Tat nicht in ihrer Steuerungsfähigkeit eingeschränkt.“