Fällt die Kritik schroff aus, fühlen sich manche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schnell unwohl. Foto: dpa-tmn//Christin Klose

Irgendwo zwischen Kuschelkurs und Konfrontation liegt die konstruktive Kritik. Aber an manchen Arbeitsplätzen ist die Kommunikation festgefahren. Gibt es einen Weg da raus?

Rostock/Tübingen - Jeden Tag hagelt es schroffe Ansagen. Ergebnisse werden aus Prinzip harsch kritisiert, Kollegen am liebsten vor versammelter Mannschaft bloßgestellt. Und überhaupt: Nicht geschimpft ist genug gelobt! Ein solches Kommunikationsklima im Job ist für viele Mitarbeiter eher belastend als motivierend. Was hilft, wenn sich ein barscher Ton im Team oder Unternehmen erst mal eingebürgert hat?

Zunächst einmal gilt: Es gebe nicht den einen Kommunikationsstil, der für alle immer und überall passt, sagt die Karriereberaterin Pamela Grüninger. Gewisse Grundregeln sollten aber in jedem Unternehmen zum Standard gehören. Das seien neben Integrität im Wesentlichen vier Punkte, erklärt Grüninger. Erstens sollte präzise formuliert werden. Inhalte sollten sachlich dargestellt werden und somit klar verständlich sein. Zweitens sollte man Ziele vor Augen haben. Es sollte also immer klar sein, was zum Beispiel mit bestimmten Arbeitsaufträgen erreicht werden soll, wann und in welcher Form sie erledigt sein sollen. Drittens sollte die Kommunikation wertschätzend sein – der Kollege sollte sich auch bei Kritik nicht persönlich angegriffen fühlen. Und die persönliche Transparenz sollte gewährleistet sein. Bei sehr knappen Deadlines kann es etwa Sinn machen, ehrlich zu erklären, warum etwas diese besondere Priorität hat.

Außerdem rät Grüninger zu Standards in Sachen Feedback. „Man sollte nicht mit dem Zeigefinger auf das Gegenüber zeigen“, betont sie. „Das heißt: Man sendet Ich- statt Du-Botschaften.“

Ein Beispiel: Herr Meyer kommt häufiger fünf Minuten zu spät zum Meeting. Statt als Vorgesetzter zu sagen „Meyer dauernd kommen Sie zu spät, das geht mir auf den Senkel“, gibt es einen besseren Weg: „Herr Meyer, Sie sind dreimal fünf Minuten zu spät gekommen. Für mich bedeutet das, dass ich aus dem Konzept komme und mich frage, wie wichtig Ihnen unser Meeting ist. Kommen Sie künftig bitte pünktlich.“ In der ersten Variante würde Herr Meyer ziemlich sicher in die Konfrontation gehen und entgegnen: „Waren ja nur fünf Minuten.“ Mit der zweiten Variante löst der Vorgesetzte bei Herrn Meyer hingegen wahrscheinlich eine Betroffenheit aus, zeigt ihm eine neue Perspektive auf und bewegt ihn eher zur Kooperation.

Antje Hüfner, Coach für Kommunikation und Karriere, betont: „Auch Kritik muss möglich sein, ein Hochleistungsteam kann keine Kuschelkultur haben.“ Deshalb sollten Teams genau besprechen, was sie als konstruktive Kritik und was als rauen Ton empfinden. Eine Regel, die laut Hüfner überall gelten sollte ist „Wir reden hier miteinander, nicht übereinander“. Außerdem sollte man festlegen, dass Kritik sich nicht auf die Person bezieht, konkret sein sollte und möglichst zeitnah geäußert werden sollte. Bei der Festlegung gemeinsamer Standards sollte man auch immer das besprechen, was im eigenen Team eine Rolle spielt. Wer Regeln definiert hat, sollte den Prozess kontrollieren: „Am besten spricht man nach vier Wochen noch einmal darüber “, rät Hüfner.

Als Mitarbeiter sollte man sich bewusst darüber sein, dass man selbst Impulse setzen und Dinge ändern kann, betont Grüninger. Aber: „Man muss nicht auf jede Art und Weise mit sich reden lassen, auch nicht vom Chef.“ Wer sich dauerhaft unwohl fühlt und sich trotz Standards, Gesprächen und eigenen Impulsen nichts ändert, sollte sich überlegen, ob er oder sie in so einem Umfeld arbeiten möchte.

Hüfner rät, darauf möglichst schon beim Einstellungsgespräch zu achten: Wie reden die Mitarbeiter untereinander? Wie geht man mit jemandem um, der in einen Raum reinkommt? Außerdem kann man auch gezielt nach der Gesprächskultur fragen und seine Erwartungen besprechen. „In Bewerbungsprozessen geht es noch immer zu sehr um Fachkompetenz“, findet Hüfner. „Menschliche Aspekte werden vernachlässigt.“

Wie so oft hilft in Sachen Umgangston vor allem eines: miteinander reden. „Es gibt nichts Besseres als ein ungutes Gefühl durch Offenheit zu beseitigen und zu klären“, findet Hüfner. Wem der Ton von einzelnen Kollegen oder Kolleginnen nicht recht ist, der sollte das offen ansprechen. Man kann versuchen, das untereinander zu klären. „Wenn das schwer ist, sollte man die Führungskraft hinzuziehen.“

Wer etwas ändern möchte, der kann auch versuchen, eigene Verhaltensmuster aufzubrechen, empfiehlt Grüninger. Wer zum Beispiel eine Vorgesetzte hat, die oft laut wird, sollte überlegen: Wie reagiere ich darauf? Bleibe ich still – und die Chefin wird noch lauter? Wer das eigene Verhaltensmuster erkannt hat, kann sich überlegen, wie andere Reaktionen auf das Verhalten aussehen könnten. Beim nächsten Mal kann man es dann ganz bewusst mit einer anderen Spielart versuchen.