Bürger in Ditzingen hat am Stammsitz seine Verwaltung ausgebaut, am Standort Crailsheim neu gebaut – und ein Produkt wieder ins Programm genommen, dem sich das Familienunternehmen auf sanften Druck der Kunden verpflichtet fühlte.
Das Thema Essen kann höchst emotional sein. Das weiß auch Andrea Neubert aus den Reaktionen, die der Maultaschenhersteller Bürger erhielt, nachdem das Unternehmen die glutenfreien Maultaschen aus dem Sortiment genommen hatte. „Wir haben mit jeder E-Mail gelitten. Für Kinder war es extrem hart“, sagt Neubert. „In der Zöliakie-Community ist es ein ziemlich großes Thema gewesen“, meint auch Peter Wark. Entsprechend seien nun viele „sehr froh, dass es das Produkt wieder gibt“, sagt der Sprecher der Deutschen Zöliakie Gesellschaft
Aufwendiger Produktionsprozess
Zöliakie ist eine chronische Erkrankung, die verschiedene Organsysteme betreffen kann. Menschen, die davon betroffen sind, zeigen eine lebenslange autoimmune Reaktion gegenüber dem Klebereiweiß Gluten. Dieses kommt in den Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste vor sowie in alten Weizensorten wie etwa Einkorn und Emmer.
Die Reaktion der Kunden auf die Streichung des glutenfreien Produkts dürfte mit ausschlaggebend für Bürger gewesen sein, dieses wieder ins Sortiment aufzunehmen, obwohl es nach Unternehmensangaben „nur einen Bruchteil der Absatzmenge ausmacht.“ Aber Bürger sei eben auch ein Familienunternehmen, sagt Neubert und betont damit die gesellschaftliche Verantwortung, die man in Ditzingen spürt.
Der Produktionsprozess ist vergleichsweise aufwendig. Glutenfreie Produkte dürfen weder Gluten enthalten, noch beispielsweise mit glutenhaltigem Mehl in Berührung kommen – auch nicht mit dem Nebel, der bei der Verwendung von Mehl in der Luft liegt. Die Konsequenz daraus: Werden glutenfreie Maultaschen produziert, „muss alles andere stillstehen“, sagt Andrea Neubert.
Auch der Neubau am Produktionsstandort Crailsheim hilft in diesem Fall nicht weiter, etwa um die Produktion von glutenhaltigen und glutenfreien Produkten zu entzerren. Der Neubau in Crailsheim hinge nicht mit dem Produktionsprozess zusammen, macht Neubert deutlich – dort sind Kältezentrale und Logistikzentrum entstanden.
Mit einer Investition von rund 45 Millionen Euro in Gebäude und Technik handelt es sich nach eigenen Angaben um die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte.
Mit dem ersten Bauabschnitt, der Kältezentrale, wurde bereits im Sommer 2020 begonnen. Eine gläserne Brücke über die Straße bindet den Neubau an das bestehende Werk an. Eine automatische Fördertechnik transportiert die Paletten mit Ware vom Werk zum Logistikzentrum. Dieses enthält zwei automatische Hochregallager mit insgesamt 16 000 Palettenstellplätzen. Die Pläne sahen außerdem 18 Versandrampen vor. Das Logistikzentrum ist von Montag bis Samstag 24 Stunden in Betrieb. Der Neubau ersetzt die Versandlogistik und die Kältezentrale im bestehenden Werk.
Die Verpackung der gluten- und laktosefreien Maultaschen ist entsprechend gekennzeichnet. Für die Produkte, die sich glutenfrei nennen dürfen, ist eine entsprechende Prüfung erforderlich. Es müsse ein Nachweis erbracht werden, sagt Peter Wark. Er fügt an: „Ein Audit für ein Produkt ist schon relativ teuer“. Manches Start-up, das vor allem während der Corona-Pandemie an den Start hätte gehen wollen, sei nicht zuletzt daran gescheitert.
Produktion auch für Handelsmarken
Während in Crailsheim in die Logistik investiert wurde, wurde im Strohgäu durch die Ausdehnung auf Nachbargebäude mehr Platz für die Verwaltung geschaffen worden, so Andrea Neubert. Dort befindet sich auch der Werksverkauf des bundesweiten Marktführers für schwäbische Teigwaren.
Neben Produkten unter der Eigenmarke Bürger wird für verschiedene Handelsmarken hergestellt. Hauptabnehmer ist der Einzelhandel. Daneben werden Großverbraucher wie Kantinen und Mensen beliefert.
Ein Familienunternehmen
Gründer
Richard Bürger gründete das Unternehmen im Jahr 1934 im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach. Bürger hatte keine Nachkommen. Erwin Bihlmaier, der als Koch und Metzger in Deutschland und den USA volontiert hatte, stieg 1961 in das Unternehmen ein, das er später übernehmen sollte.
Nachfolger
Auf Erwin Bihlmaier folgte dessen Sohn Richard, der 2020 verstorbene Seniorchef von Bürger. Geschäftsführer heute ist dessen Sohn Martin Bihlmaier.