Es werden weitere Geflüchtete aus der Ukraine erwartet – aber nicht nur. Foto: dpa/Jens Büttner

Die Lage in der Ukraine spitzt sich zu, der Winter naht. Für Kommunen wie Filderstadt bedeutet das, bereit zu sein, weitere Geflüchtete aufzunehmen. Schnelle Lösungen müssen nun her.

Die Zahl der Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland Schutz vor dem Krieg suchen, wächst. Auch in Filderstadt. 360 Menschen sind (Stand 10. Oktober) aktuell in der Stadt registriert, zehn bis 16 weitere weist der Landkreis zu – pro Woche. Das erklärte der Oberbürgermeister Christoph Traub in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Wohin mit diesen vielen Menschen in einer Kommune, in der Wohnraum so oder so knapp ist?

Vieles wird von der Bevölkerung abgepuffert. Christoph Traub sprach von einer extrem großen Hilfsbereitschaft. Um die 90 Prozent der Menschen aus der Ukraine seien bislang in Privatunterkünften untergekommen. Auch finanzielle Unterstützung oder Hilfe in Form von Begleitung gebe es aus der Bürgerschaft.

Flüchtlingsströme aus anderen Ländern haben auch zugenommen

Allerdings: Die Lage in der Ukraine spitzt sich zu, der Winter naht. „Ich erkenne nicht, dass das Thema uns loslässt“, stellte Christoph Traub klar, zumal „scheinbar unbemerkt“ Flüchtlingsströme aus anderen Ländern auch wieder zugenommen hätten, etwa über die Balkanroute. 13 Bundesländer sind bereits an ihre Grenzen gestoßen und haben einen Aufnahmestopp für Geflüchtete verhängt. Baden-Württemberg gehört nicht dazu.

In Summe mindestens 500 Personen aus der Ukraine wird Filderstadt bis Ende des Jahres aufgenommen haben müssen, hinzu kommt die sogenannte Aufnahmeverpflichtung von knapp 70 „allgemeinen Geflüchteten“. Die Kapazitäten der aktuell 20 Anschlussunterkünfte sind nahezu ausgeschöpft. Laut Christoph Traub rechnet man in der Stadt mit einer Unterdeckung von 90 Plätzen. „Die werden wir dieses Jahr noch aufbauen müssen.“

Zustimmung zu einem Paket an Maßnahmen

Deswegen hat die Verwaltung vom Gemeinderat nun die Zustimmung zu einem ganzen Maßnahmenpaket geholt, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben und nötige Schritte einleiten zu können, auch präventiv. Die Umfunktionierung von Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften will man in Filderstadt unbedingt abwenden, da waren sich in der Sitzung sowohl die Verwaltung als auch sämtliche Fraktionen einig. „Wir tun alles, um die Belegung von Hallen zu vermeiden“, stellte Christoph Traub klar.

Dennoch: Die Unterbringung von Geflüchteten in Sportstätten ist nicht mehr tabu. Mit dem Beschluss hat sich die Verwaltung auch das Ja zu außerplanmäßigen Ausgaben in Höhe von 139 100 Euro geholt. Von dem Geld wurden bereits Betten, Spinde, Sichtschutz und mehr eingekauft, um für den Ernstfall eine Ausstattung für Sporthallen parat zu haben.

Gespräche mit Hausbesitzern oder Hoteliers

Wie soll die Hallenbelegung vermieden werden? Durch das Ja des Gemeinderats ist die Verwaltung offiziell beauftragt, Gespräche mit Hausbesitzern oder Hoteliers zu führen. Zudem soll der Parkplatz Weilerhau in Plattenhardt als Standort für eine temporäre Unterkunft in vorgefertigter Bauweise herangezogen werden. Walter Bauer (SPD) brachte zudem abermals das Thema Zweckentfremdungsverbot aufs Tapet, also das Verbot, Wohnungen leer stehen zu lassen oder für etwas anderes als fürs Wohnen zu nutzen. Stuttgart hat ein solches Verbot seit 2016, Filderstadt bislang nicht. „Hier bietet das Land ausdrücklich Unterstützung durch seine Gesetzgebung an. Wir müssen nur aktiv werden“, sagte Walter Bauer. Christoph Traub schien nicht abgeneigt. Er sagte zumindest zu, dem Gremium zeitnah aktualisierte Infos zu den Möglichkeiten zukommen zu lassen.

Zudem holte sich die Verwaltung vom Gremium das Okay, weitere Personalstellen aufzubauen. Zwei neue Vollzeit- und eine neue Teilzeitstelle sollen geschaffen werden für die soziale Beratung Geflüchteter und deren Integration. Jährlich 165 000 Euro wird das kosten. Die FDP-Fraktion plädierte aus Spargründen für die Befristung auf drei Jahre, scheiterte mit ihrem Antrag aber beim restlichen Gremium. „Wir müssen die Aufgabe der Integration als Daueraufgabe begreifen“, sagte auch der Oberbürgermeister. Mit einer Zunahme weiterer Geflüchteter, aus welchen Gründen auch immer, müsse man künftig rechnen.

Geflüchtete in Bund und Land

Statistik
Wie das Filderstädter Amt für Integration, Migration und Soziales mitteilt, wurden bundesweit zwischen Ende Februar und dem 3. Oktober mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister registriert. Wie viele tatsächlich Deutschland erreichen beziehungsweise verlassen haben, lasse sich nicht genau sagen, da ukrainische Staatsbürger ohne Visum in die EU einreisen und sich in EU-Mitgliedstaaten des Schengen-Raums frei bewegen können.

Vergleich
In diesem Jahr sind bereits rund 140 000 Menschen nach Baden-Württemberg geflüchtet, davon 125 000 Menschen aus der Ukraine und 15 000 Asylsuchende. Das sind deutlich mehr als im Krisenjahr 2015 mit insgesamt 100 000.