Mit einer ganzen Testflotte an Elektro-Zwei- und -Dreirädern hat das Verkehrsministerium auf dem Campus der Uni Stuttgart für nachhaltige Mobilität geworben. Doch so mancher Studierende hat mit den flotten Stromern noch sichtbar gefremdelt.
Peng! Gleich mehrere Studierende setzen bei der Testfahrt auf dem Vaihinger Unicampus ihre E-Roller gegen eine Bank und müssen absteigen. Dass bei solchen kleinen Stromern gleich so die Post abgeht, haben sie wohl nicht erwartet. Elke Zimmer gelingt die Probefahrt ohne Zwischenfall. „Cool“ findet es die Staatssekretärin aus dem Verkehrsministerium. Auch wenn sie einräumt, in ihrem flachen Wohnort Mannheim habe sie für einen E-Roller gar keine Verwendung. Aber bei der Aktion namens ElectriCity will sie Werbung machen für nachhaltige Mobilität. Und natürlich weiß nicht nur sie, dass mit Elektrozweirädern allein die Verkehrswende nicht zu schaffen ist.
365-Euro-Jahresticket als Anreiz für junge Menschen
55 Prozent weniger CO2 im Verkehr bis 2030 nennt Zimmer als neues Sektorziel – „das ist nicht mehr lang: bis dahin wollen wir den Autoverkehr um ein Fünftel reduzieren“. Deshalb setzt sie auf die junge Generation und hofft, dass das 365-Euro-Jahresticket, das Studierende von nächsten März an nutzen können, „ein Riesenanreiz ist für junge Menschen“. Auch die Uni Stuttgart hat hochfliegende Ziele und will bis 2030 Klimaneutralität auf dem Campus erreichen. Das geschieht auch in einem Reallabor auf dem Campus. „Wir erforschen Mobilitätskonzepte technologie- und ergebnisoffen“, erklärt Manfred Bischoff, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs. Dies geschieht auch in Form einer induktiven Ladestraße und eines selbstfahrenden Shuttles.
Uniprorektor setzt auf Kulturwandel bei der Mobilität
Als wichtigste Voraussetzung sieht Bischoff etwas anderes: „Ich glaube, dass wir einen Kulturwandel brauchen bei der Mobilität.“ Denn, so der Prorektor: „Es bringt nichts, wenn die Leute mehr Zug fahren – sie müssen weniger Auto fahren.“ So wäre für ihn selber ein E-Scooter keine gute Lösung. „Ich bin normalerweise zu Fuß unterwegs.“ Oder mit dem Fahrrad. Damit sei er genauso schnell wie mit den Öffentlichen. Also seien E-Scooter nur dann anzuraten, wenn sie CO2-wirksame Mobilität ersetzen. Kurzum: „Wir brauchen auch eine Wertediskussion.“
„Riesige Taktlücken“ im Nahverkehr
Leonard Willeke studiert Erneuerbare Energien und ist Referent für Nachhaltigkeit bei der Studierendenvertretung (Stuvus). Er stellt klar, was für Studierende bei der Mobilität Vorrang habe: „Es muss flexibel und günstig sein, schnell gehen und emissionsarm sein.“ Da sei das 365-Euro-Ticket „auf jeden Fall ein guter Vortritt“. Auch schon deshalb, weil es landesweit gelte und nicht nur für Stuttgart. Doch das überzeugt nicht alle Studierenden. Ein anderer Student berichtet, zu Hause, im ländlichen Raum, da fahre eben sonst nichts, da nehme er schon das Auto. Zimmer räumt ein: „Wir haben riesige Taktlücken, gerade auch am Wochenende.“ Natürlich entscheide auch das Angebot und die Taktung, wie gut der Nahverkehr genutzt werden könne. „Da arbeiten wir dran“, verspricht die Staatssekretärin. Leider sei der öffentliche Nahverkehr oft nicht zuverlässig, sagt sie – „die Stellwerke stammen ja noch aus der Kaiserzeit“.
Mobilität muss auch Spaß machen
Ein Student berichtet, er fahre mit der Bahn, aber auch mit dem Auto, einem Verbrenner, denn ein E-Auto sei ihm zu teuer, und Lademöglichkeiten habe er zu Hause auch nicht. Und am Wochenende bei schönem Wetter fahre er auch mal Motorrad, „einfach zum Spaß“. Und den wolle er sich auch nicht nehmen lassen.
Für Radler fehlt noch Infrastruktur
Unterdessen fehlt es auf dem Campus der Universität Stuttgart auch noch an kleinen Dingen: „Es gibt noch nicht genug Fahrradstellplätze und zu wenig sichere“, sagt Leonard Willeke. Dass es in Stuttgart auch noch an anderer Stelle hakt, berichtet Ferdinand Köglmeier, der an der Uni Stuttgart Verkehrsingenieurwesen studiert: „Viele Radwege in Stuttgart hören einfach auf, es fehlt ein durchgehendes Fahrradnetz.“ Auch Bischoff hat sich schon darüber gewundert, dass etwa die Fahrradbrücke zwischen Vaihingen und Möhringen plötzlich gesperrt ist, ohne dass für die Radler eine Umleitung ausgewiesen sei. Und als Radler erlebe er oft, dass viele Fußgänger Radwege für Fußwege hielten. Köglmeier sagt, er wolle schon umweltfreundlich zur Uni kommen. Aber zur Vorlesung morgens um acht wolle er „kein krasses Hochleistungs-Work-out machen“, um mit dem Rad aus der Stadt zum Vaihinger Campus zu kommen. Und in der S-Bahn kostet um diese Zeit die Radmitnahme extra. Womöglich könnte er ein Kandidat für ein Pedelec sein.