Leider kein Zufallsfang: tote Fische in Europas größter Salzwasserlagune Foto: Picture Alliance/dpa//Edu Botella

In Europas größter Salzwasserlagune sterben in Massen Fische und andere Tiere. Verantwortlich sind intensive Landwirtschaft – und schlechte Politik.

Madrid - Er habe Leute am Strand weinen sehen, erzählt Pedro García, „und Kinder, die Garnelen und Krebse aufsammeln und sie in ihre Wassereimerchen legen, um zu sehen, ob sie dort wohl leben“. Im Mar Menor hat das große Sterben eingesetzt, nicht zum ersten Mal, und es ist zum Heulen. Zu beklagen sind in den vergangenen beiden Wochen an die fünf Tonnen toter Fisch und andere Meerestiere. Das ist die offizielle Zahl. Pedro García von der lokalen Naturschutzgruppe Anse glaubt sie nicht. „Wir hoffen, dass die Regionalregierung eingesteht, dass die echte Zahl doppelt so hoch ist“, sagt er im Gespräch mit der Netzzeitung Eldiario.es. So oder so ist es ein Desaster.

Das Ufer ist total zugebaut

Das Mar Menor (wörtlich: das „Kleinere Meer“) ist eine 180 Quadratkilometer große Lagune, ein See aus Salzwasser, der vom größeren, dem Mittelmeer, durch eine 22 Kilometer lange Landzunge aus Sand abgetrennt und nur durch eine schmale Meerenge verbunden ist. Seit den 1960er Jahren verbringen hier vor allem spanische Touristen gerne ihren Sommerurlaub; die Landzunge ist komplett mit Hotels und Ferienhäusern zugebaut, große Teile der restlichen Küste sind es auch. Nirgendwo finden die Menschen ein solch ruhiges Meer wie hier, und das Wasser ist warm und klar. Normalerweise.

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Dass eines Tages ein Unglück einträte, war schon vor vierzig Jahren absehbar. Im Jahr 1979 eröffnete eines der gewaltigsten Infrastrukturprojekte des 20. Jahrhunderts in Spanien: der Überlandkanal vom Tajo im Herzen Kastiliens zum Segura in der Mittelmeerprovinz Murcia. Er sollte endlich Wasser aus dem Norden in den trockenen Südosten bringen. Er tat es auch. Mit dem Wasser brachte er Wohlstand – und ökologische Probleme.

Zwei Ingenieure mit Nachnamen García und Maldonado schrieben 1980 in einem Fachartikel, dass ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche in der Nähe des Mar Menor sicherlich nun künstlich bewässert und damit – „wie es logisch ist“ – der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger steigen werde. „Deren Einfluss auf das ökologische Gleichgewicht des Mar Menor kann fundamental sein“, schrieben sie. Es kam alles genau so. Der Einsatz von mineralischem Stickstoffdünger ist ein Segen für die Menschheit, der manchmal zum Fluch wird.

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Was die Bauern aufs Feld tun, soll ihren Pflanzen zugute kommen, aber es gibt einen Überschuss, der im Grund- und Oberflächenwasser landet – im konkreten Fall im Mar Menor, wo er für Algen ein Nährstoff ist, so sehr, dass sie der Meeresfauna den Sauerstoff zum Atmen nehmen. Die Lagune kippt um. Das ist schon einmal 2016 passiert, zweimal im Laufe des Jahres 2019 und diesen Sommer wieder, katastrophaler als je.

Gemüseanbau ist wichtig für die Region

Die Regionalregierung von Murcia hat lange tatenlos zugeschaut, auch deswegen, weil der Gemüseanbau ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor ist. Im vergangenen Sommer erließ sie ein „Gesetz über die Erholung und den Schutz des Mar Menor“, das mit 75 Seiten und 86 Artikeln derart lang ist, dass es bisher wohl kaum einer gelesen hat. Die lokalen Naturschützer haben den Eindruck bleibender Tatenlosigkeit. „Es geht alles sehr langsam voran“, klagt Pedro García.

Spaniens Zentralregierung hat ermittelt, wer in der Gegend seine Ländereien illegal bewässert – das betrifft etwa zehn Prozent der dortigen landwirtschaftlichen Fläche. Die sollen wieder auf Trockenlandbau umgestellt werden. Die Regionalregierung verspricht andererseits, den Einsatz von Mineraldünger in Nachbarschaft des Mar Menor zu untersagen.