Heute sind die Überlebenschancen deutlich besser als vor Jahren. Dennoch sollten Betroffene nach einem derart einschneidenden Ereignis nicht weitermachen wie zuvor. Die Selbsthilfegruppe Herzpatienten Esslingen hilft in der neuen Lebensphase
Nach einem arbeitsreichen Leben unbeschwert den Ruhestand genießen, das hatte sich Dieter Häcker gewünscht. Doch mit einem Schlag war alles anders: Vor 21 Jahren erlitt der Esslinger Architekt einen Herzinfarkt. Fünf Stents – künstliche Gefäßstützen, die verschlossene oder verengte Blutgefäße offenhalten – wurden ihm in der Folge gesetzt, um sein Leben zu retten. „Dass ich heute hier in geselliger Runde sitzen kann, das hätte ich damals nicht gedacht“, sagt der 92-Jährige rückblickend. Die anderen am Tisch nicken zustimmend. Sie teilen das gleiche Schicksal – und reden offen darüber bei den Treffen der Selbsthilfegruppe Herzpatienten Esslingen.
Fragen, Ängste und Sorgen
Gegründet wurde sie, mit Unterstützung des Klinikums Esslingen, im Jahr 1999 von Betroffenen, die sich mit Gleichgesinnten austauschen wollten. Denn ein Herzinfarkt ist ein einschneidendes Ereignis. Die erlebten Schmerzen, die Hilflosigkeit und die Todesangst sind für viele Patienten nicht leicht zu bewältigen. Zudem werden sie und ihre Angehörigen vor eine neue Lebenssituation gestellt, die mit vielen Fragen und Sorgen verbunden ist, weiß Dieter Häcker, der die Gruppe leitet.
Ein Herzinfarkt kommt plötzlich, aber meist nicht aus heiterem Himmel. Er ist die häufigste Folge einer Koronaren Herzkrankheit (KHK). Dabei sind die großen Adern verengt, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen. Ursache dafür sind Ablagerungen in den Blutgefäßen, die im Laufe des Lebens entstehen. Mit der Diagnose KHK leben immerhin 4,9 Millionen Menschen in Deutschland. Männer erkranken daran häufiger als Frauen, Ältere mehr als Jüngere.
Auslöser sind Ablagerungen
Eine Koronare Herzkrankheit kann chronisch sein oder akut auftreten. Bei der akuten Form kommt es zu einem Herzinfarkt. Auslöser dafür ist in der Regel der Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Dafür sind in den meisten Fällen Fett- oder Kalkablagerungen, „Plaques“ genannt, verantwortlich. Sie behindern die Durchblutung des Herzmuskels. Bei manchen Menschen brechen diese Plaques auf und Blutgerinnsel entstehen, die das Herzkranzgefäß an den Engstellen vollständig verstopfen können. Ohne rasche Hilfe stirbt infolgedessen der nicht mehr durchblutete Teil des Herzmuskels ab. Die meisten Herzinfarkte werden mit einem Herzkatheter-Eingriff (Angioplastie) behandelt, um das Gefäß schnell wieder zu öffnen. Manchmal wird das Blutgerinnsel, das die Herzarterie verstopft, auch mit schnell wirkenden Medikamenten aufgelöst, die über einen Tropf gegeben werden (Thrombolyse).
Weil schnelles Eingreifen so wichtig ist, sollte man die Symptome eines Herzinfarkts kennen. Typisch sind laut der Deutschen Herzstiftung starke Schmerzen, die länger als fünf Minuten dauern. Gewöhnlich sitzen sie im Brustkorb, oft hinter dem Brustbein. Der Schmerz wird von den Betroffenen etwa als brennend oder drückend beschrieben. Häufig haben sie das Gefühl, dass ihnen in der Brust ganz eng ist. Doch es ist oft nicht nur der Brustkorb: Auch Schmerzen zwischen den Schulterblättern oder im oberen Teil des Bauches können auf einen Herzinfarkt hindeuten. Nicht selten tun auch die Arme oder der Hals weh, weil die Schmerzen ausstrahlen. Manchmal sind Betroffene sehr kurzatmig oder haben plötzliche Atemnot. Dazu können Schweißausbrüche und Schwindel kommen.
Nach Angaben der Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung erleiden in Deutschland jährlich mehr als 300 000 Menschen einen Herzinfarkt. Rund 45 000 von ihnen erliegen einem akuten Herzinfarkt. Dieses auch Myokardinfarkt genannte Ereignis ist hierzulande eine der häufigsten krankheitsbedingten Todesursachen.
Lebensstil ändern
Zwar sind die Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt deutlich besser geworden, die Herz-Kreislauf-Medizin konnte in den vergangenen Jahrzehnten große Erfolge verzeichnen. Und mit der passenden Behandlung kann man mit der Diagnose gut leben. Doch viel hängt auch vom eigenen Zutun der Patienten ab. „Man muss die Krankheit annehmen und das Beste aus dieser Situation machen“, sagt Dieter Häcker.
Herzerkrankte, empfiehlt die Deutsche Herzstiftung, müssen eingefahrene Gewohnheiten ab- und sich einen neuen Lebensstil zulegen. Mit der Einnahme von Medikamenten, die vor Folgeerkrankungen schützen, ist es allein nicht getan. Es gilt, Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes, Übergewicht und Stress auszuschalten. Das bedeutet: Bewegung, Entspannungsübungen und eine Umstellung auf gesunde Ernährung. Dranbleiben ist deshalb so wichtig, weil das Rückfallrisiko sehr hoch ist.
„Man kann sich gar nicht vorstellen, was alles mit einer Herzkrankheit zusammenhängt“, räumt Dieter Häcker ein. Zahlreiche Vorträge mit namhaften Medizinern hat die Selbsthilfegruppe daher in den Jahren organisiert, um die Betroffenen umfassend aufzuklären. Dabei ging es beispielsweise um Herz und Psyche, um Medikation und Behandlungsmöglichkeiten, um Ernährung und Sport, um Entwicklungen in der Kardiologie und auch um andere Krankheiten. Bei ihren Treffen, fügt Dieter Häcker rasch hinzu, würden die Gesprächsthemen untereinander längst über kardiologische Probleme hinausgehen. Die Gruppenmitglieder hätten auch gemeinsam Sport getrieben und Ausflüge unternommen. „Es sind Freundschaften entstanden.“
Was tun bei Verdacht auf Herzinfarkt?
Notruf
Sofort den Rettungsdienst über Notrufnummer 112 alarmieren. Auf keinen Fall auf Besserung der Beschwerden warten.
Erste Hilfe
Bewusstsein, Atmung und Lebenszeichen der Person überprüfen, sie bequem lagern, den Oberkörper etwas erhöht. Beengende Kleidungsstücke öffnen, um die Atmung zu erleichtern. Bei Kreislaufstillstand die Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen und diese bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes durchführen.