Die VfB-Fans werden wieder einmal auf eine harte Probe gestellt. Foto: Baumann

Nach der Derby-Pleite in Karlsruhe könnte der Frust der VfB-Fans größer kaum sein. Wir haben vier ganz besondere Anhänger nach ihrem Gemütszustand und ihrer Meinung gefragt.

Stuttgart - Nun ist das Fass übergelaufen. Groß war der Verdruss im VfB-Anhang schon vor dem Derby beim Karlsruher SC – nach der 1:2-Niederlage sind Geduld und Nachsicht vieler Fans am Ende. In den sozialen Netzwerken und bei den Leserbriefschreibern wird gepoltert und getobt, die Hoffnung auf den Aufstieg vorzeitig begraben, die Mannschaft samt sportlicher Leitung verbal in die Wüste geschickt.

Ist die Stimmung wirklich so verheerend, die Situation so aussichtslos, die Mannschaft so unfähig? Wir haben bei vier VfB-Fans nachgefragt, die genau wissen, wovon sie sprechen.

Andreas Zweigle (50), seit 40 Jahren VfB-Mitglied, Inhaber einer Werbeagentur und zusammen mit Sebastian Rose Betreiber des VfB-Blogs vertikalpass.de: „Der VfB macht es mir nicht leicht, Fan zu sein. Auf dem Platz herrscht erschreckende Ideenlosigkeit, die Mannschaft präsentiert sich ähnlich antriebs- und leblos wie in der Abstiegssaison 2018/2019. In den Führungsebenen flüchtet man sich lieber in Phrasen, anstatt die wirklichen Probleme anzugehen. Immer stärker drängt sich der Eindruck auf, dass die spielenden und handelnden Personen sich selbst wichtiger nehmen als den VfB. Mit jedem Neuanfang keimt Hoffnung auf, aber jedes Mal werde ich aufs Neue enttäuscht. Das Schlimmste ist, dass die Identifikation mit meinen Verein immer mehr schwindet. Dabei hat der VfB eine immense Kraft. Die Kraft, Emotionen zu wecken und Menschen miteinander zu verbinden. Die Geschichte des Clubs ist immer auch die Geschichte der Menschen, die den VfB unterstützen. Die aktuelle Geschichte ist jedoch, dass der VfB lachhaft wenig aus seinen Möglichkeiten macht – und alles dafür tut, dass ich in naher Zukunft VfB-Ergebnisse nur noch achselzuckend zur Kenntnis nehme.“

Harry Brambach (75), früherer Finanzvorstand der Autohaus-Gruppe Schwabengarage und Ehrenpräsident des Tennisclubs TEC Waldau: „Ich gehe seit 70 Jahren zum VfB und kann mich nicht erinnern, jemals so frustriert gewesen zu sein. Der Mannschaft fehlt es an allem, was nötig ist, um erfolgreich zu sein: Tempo, Ideen, Leidenschaft, Zusammenhalt. Ich sehe nur planloses Ballgeschiebe. Es heißt immer, die Qualität sei vorhanden. Ein Irrglaube! Sonst hätte der VfB nicht so oft verloren wie Bochum und Sandhausen. Kein Spieler ist reif für die erste Bundesliga. Nur Mittelmaß. Das Diamantenauge (Sportdirektor Sven Mislintat, Anm. der. Red.) hat wohl den grauen Star bekommen. Ich wüsste daher nicht, woher ich noch Hoffnung nehmen sollte, dass der Aufstieg gelingt. Und ich frage mich, wie man auf die Idee kommen konnte, den Vertrag von Trainer Pellegrino Matarazzo vorzeitig zu verlängern. Sollte Präsident Claus Vogt zugestimmt haben, war das sein erster großer Fehler.“

Bernd Sautter (54), Autor, Stadionbesucher seit 1977 und Moderator bei Veranstaltungen im VfB-Fanprojekt in Stuttgart:

„Für VfB-Fans der schwerste aller denkbaren Charakterprüfungen: Die Niederlage gegen den Erzfeind. Skandal! Spucke eingetrocknet, Worte auch. Die Suche nach einem neuen, alternativen Hobby läuft auf Hochtouren. Die VfB-Welt steht kopf. Das Team präsentiert sich als Mix aus Altklug und Unfähig, aus Unbeweglich und Unfertig. Auf dem Platz zweitklassig, daneben besteht Hoffnung. Hitzlintat und Vogt sind keine Maultaschen, die mit AfD-Anwälten speisen. Sie haben die Liga nicht zu verantworten, sie müssen sie halt ausbaden. Superkräfte hat keiner mitgebracht. Weder Präsident, noch Außenverteidiger. Wir Fans müssen damit leben. Die letzte Derby-Niederlage war ein Meilenstein. Damals vergeigte es der VfB als amtierender Deutscher Meister. Es folgten dreizehn dürre Jahre. Und jetzt? Aufstieg aus eigener Kraft scheint möglich. Wahrscheinlich im nächsten Sommer. Wie praktisch, dann darf man wieder feiern. Das neue, alternative Hobby hat zu diesem Zeitpunkt längst an Faszination verloren. Beim Fußball kann das nicht passieren.“

Lesen Sie hier unseren Kommentar: Warum der VfB den Aufstieg nicht verdient hat

Liese Müller (88), frühere Kantinenleiterin bei der Daimler AG im Hallschlag und VfB-Dauerkartenbesitzerin seit 28 Jahren: „Mir tut es im Herzen weh, auf meine alten Tage miterleben zu müssen, was aus meinem Herzensclub geworden ist. Das sind doch keine VfBler mehr, die da auf dem Platz stehen! Und es gibt keinen, der dem anderen mal in den Hintern treten würde. Denen scheint es egal zu sein, ob der VfB aufsteigt. Inzwischen glaube auch ich nicht mehr dran. Ich war früher großer Fan von Spielern wie Hansi Müller oder den Förster-Brüdern. Da konnte man zum Training gehen und sich Autogramme holen. Heute kommt man an die Spieler ja gar nicht mehr ran. Klar, sie brauchen auch ihrer Ruhe und müssen sich nicht im Training beschimpfen lassen. Aber je mehr man die Fans aussperrt, desto mehr verlieren sie das Interesse. Mir ist schon auch klar, dass sich die Zeiten geändert haben. Dass aber gar nicht mehr auf den eigenen Nachwuchs gesetzt wird, macht mich schon ein bisschen wütend. Andererseits: Ich bin im Krieg aufgewachsen und hatte Angst vor den Bomben. Jetzt muss ich mich zum Glück nur noch über den VfB aufregen.“