Die einen wollen eine Strafe, die anderen nur eine Ordnungswidrigkeit: Über den Umgang mit Menschen, die ohne Ticket in Bus und Bahn sitzen, entbrennt ein Streit.
Das Volk hat gesprochen. Und es spricht anders als die meisten Experten. 69 Prozent der Bundesbürger hielten es für richtig, dass Schwarzfahren künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, so eine Umfrage der Meinungsforscher von Infratest dimap. Lediglich ein Viertel der Befragten will den Straftatbestand beibehalten.
Nahezu Gleichstand hingegen gibt es bei der Frage, ob all jene, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können, in Haft genommen werden sollen. Allerdings: Gerade diese Ersatzfreiheitsstrafe ist das Hauptargument all jener, die den Straftatbestand über Bord kippen wollen. Die meist am unteren Ende des Existenzminimums darbenden Menschen gehören nicht ins Gefängnis, lautet das Argument.
Unterschiedliche Ansichten in der Politik
Es geht ein Riss durch Deutschland. Die Justizminister der Südländer sehen das Ende eines Straftatbestandes eher kritisch. „Notorische Schwarzfahrer sollen weiter mit einem Straftatbestand angemessen sanktioniert werden können“, sagt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich. Der CSU-Politiker weiß sich da weitgehend einig mit seiner CDU-Kollegin aus Baden-Württemberg. Gerade in Zeiten, in denen man auf einen leistungsstarken Personennah- und -fernverkehr angewiesen sei, müsse der Staat „willens und in der Lage sein, die damit verbundenen Rechtsgüter zu schützen“, sagt Marion Gentges. Die Kollegen aus den Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben eine andere Sicht auf die Dinge. Lena Kreck, die noch im Amt befindliche Berliner Justizsenatorin von der Linkspartei, möchte wie ihre Bremer Kollegin Claudia Schilling (SPD) den Straftatbestand kippen. Auch der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält ein Bußgeld für ausreichend.
Der Bund will entscheiden
Entschieden wird die Frage allerdings nicht in den Ländern, sondern beim Bund. Er werde das Thema noch im Laufe des Jahres anpacken und einen Gesetzentwurf vorlegen, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Wie der aussehen wird, ist unklar. Klar ist allerdings, wie sich die Verkehrsbetriebe positioniert haben: Schwarzfahren müsse eine Straftat bleiben. Man brauche die „abschreckenden Konsequenzen“, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Berlin.
Die große Mehrzahl ist ehrlich
Dort wird noch auf ein weiteres Detail hingewiesen: Der Straftatbestand sei auch deshalb so wichtig für die Verkehrsunternehmen, weil die Kontrolleure nur so die Möglichkeit hätten, die erwischten Schwarzfahrer vor Ort vorläufig festzunehmen, um zum Beispiel die Personalien aufzunehmen. „Bei einer Ordnungswidrigkeit entfällt diese Möglichkeit, der Schwarzfahrer könnte einfach das Fahrzeug verlassen.“ Der Verband geht davon aus, dass der durch Schwarzfahren verursachte Schaden im öffentlichen Personennahverkehr „im Jahr bei rund 250 Millionen Euro“ liegt, so dessen Sprecher Lars Wagner.
Der Branchenverband, der mehr als 95 Prozent der im ÖPNV-Markt tätigen Unternehmen vertritt, sieht die Schwarzfahrerquote bundesweit konstant bei etwa 3,5 Prozent. Das zeige aber auch, dass sich 96,5 Prozent aller Kunden ehrlich verhalten.