Ermittler sichern nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm Spuren . Foto: dpa/Ralf Zwiebler

Justizministerin Marion Gentges (CDU) teilte dem Bund bislang nicht mit, dass sich der mutmaßliche Brandstifter in die Türkei abgesetzt hat. Ob ein internationaler Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen erwirkt wurde, ist unklar.

Stuttgart - Der Mann, der mutmaßlich einen Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge verübte, hat sich bereits am 10. Juni, also fünf Tage nach der Tat, in die Türkei abgesetzt. Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage der FDP hervor. Ob ein internationaler Haftbefehl für Serkan P. erwirkt wurde, geht aus der Antwort nicht hervor. Die Landesregierung informierte bislang auch die Bundesregierung nicht darüber, dass sich der dringend Tatverdächtige in die Türkei absetzte: Weil „nicht erkennbar ist, auf welche Weise die Bundesregierung bei der Aufklärung des Vorfalls“ unterstützend tätig werden könne.

Dabei hätte die Bundesregierung eine Vielzahl diplomatischer Möglichkeiten, um auf die Türkei einzuwirken. Zwar lehnt es die Türkei grundsätzlich ab, ihre Staatsbürger – auch mit doppelter Staatsbürgerschaft – an andere Staaten auszuliefern. Die Bundesregierung hätte jedoch die Möglichkeit, Druck auf Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auszuüben, um zumindest die Ermittlungen durch türkische Strafverfolgungsbehörden abschließen zu lassen und P. gegebenenfalls in der Türkei einem Strafverfahren zuzuführen.

Nichts passiert, um den mutmaßlichen Täter festzunehmen

Zumal der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei einer Mahnwache vor der attackierten Synagoge in Ulm den Brandanschlag als „Angriff auf unsere freiheitliche Demokratie“ bezeichnete. Er appellierte: „Wir dürfen niemals abstumpfen, niemals verzagen, niemals wegschauen.“ Umso verwunderlicher ist es deshalb, dass die Landesregierung die Bundesregierung nicht über die Flucht Serkan P.s informierte. Stattdessen verfolgt das Justizministerium die Strategie, für den Fall, dass „Ermittlungen in der Türkei notwendig werden“, die Staatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen vorbereiten kann. Diese würde dann an die türkischen Behörden übermittelt. In Betracht käme auch, die Türkei um die Übernahme der Strafverfolgung zu ersuchen.

Unsere Zeitung hatte drei Tage nach dem Beginn der öffentlichen Fahndung am 18. Juni nach P. dessen Konten in den sozialen Medien ausgewertet und berichtet, dass der Mann zu seiner Familie in die Türkei geflohen war.

FDP kritisiert Passivität der Landesregierung nach hehren Worten

Nico Weinmann, für die FDP im Innenausschuss, verurteilt die Passivität der Landesregierung: „Dass jemand, der in Verdacht steht, in Deutschland eine Synagoge in Brand gesetzt zu haben, sich seit anderthalb Monaten offen und ohne Sorge vor Strafverfolgung in der Türkei aufhalten kann, ist schlicht inakzeptabel. Aus der Antwort des Justizministeriums wird nicht ersichtlich, wie sich dieser Zustand ändern soll.“ Hier müssten den hehren Worten endlich Taten folgen, sonst werde auch die gute polizeiliche Ermittlungsarbeit konterkariert.

Weinmanns Kollegin, FDP-Innenexpertin Julia Goll ergänzt: „Die Antwort der Landesregierung fällt enttäuschend aus. Sie unternimmt offensichtlich nichts, damit die Tat strafrechtlich verfolgt wird.“ Auch wenn die Türkei keine eigenen Staatsangehörigen ausliefere, so sei doch eine Strafverfolgung in der Türkei möglich. Das entsprechende Verfahren müsse eingeleitet werden. „Es ist Aufgabe der Landes- und der Bundesregierung, hier allen erforderlichen Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auszuüben. Dies gebietet nicht zuletzt auch die historische Verantwortung Deutschlands.“