Der Handelssaal der Deutschen Börse in Frankfurt Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Der Marktbetreiber will mit dem Experten für gute Unternehmensführung vom Trend zu nachhaltigen Investments profitieren. Die Deutsche Börse gibt für den Zukauf rund 1,5 Milliarden Euro aus. Börsenchef Weimer ist auf der Suche nach weiteren Übernahmekandidaten.

Frankfurt - Ihr Urteil ist gefürchtet: Wenn Stimmrechtsberater wie ISS oder Glass Lewis sich dafür aussprechen, einem Vorstand die Entlastung zu verweigern, wird es für die betroffenen Manager unangenehm. Denn viele Pensionsfonds und Fondsgesellschaften folgen dem Rat der sogenannten Aktionärsflüsterer. ISS soll künftig mehrheitlich der Deutschen Börse gehören: Der Marktbetreiber will für rund 1,8 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro) eine Beteiligung von 80 Prozent an ISS erwerben, teilte die Börse mit.

20 Prozent bleiben im Besitz des bisherigen Mehrheitseigners Genstar Capital und des ISS-Managements. Geführt wird das US-Unternehmen weiter von seinem amtierenden Vorstandsvorsitzenden Gary Retelny. Die Transaktion soll im ersten Halbjahr 2021 abgeschlossen werden.

Börse will mit ISS vom Trend zu nachhaltigen Investment profitieren

Börsenchef Theodor Weimer erklärte, sein Haus werde von den Daten und Analysen von ISS profitieren. Als Stimmrechtsberater widmet sich die US-Firma traditionell der Qualität der Unternehmensführung von Aktiengesellschaften weltweit, bietet seit einigen Jahren aber auch Analysen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit an – also zu den Folgen für die Umwelt und den Sozialstandards für Arbeitnehmer und Lieferanten. Ökologische und soziale Standards sowie die Unternehmensführung – zusammengefasst unter dem englischen Kürzel ESG – werden von Investoren zunehmend bei ihren Anlagestrategien berücksichtigt.

Die Deutsche Börse reagiert darauf unter anderem, indem ihre Tochtergesellschaft Qontigo nach ESG-Kriterien zusammengestellte Indizes anbietet. So gibt es seit März mit dem Dax 50 ESG einen Index, der 50 nach Nachhaltigkeitskriterien ausgewählte Unternehmen aus Dax, TecDax und M-Dax umfasst. Wenn die Börse diesen Bereich ausbauen wolle, „braucht es dafür zusätzliche Expertise“, erläutert Zacharias Sautner, Professor an der Frankfurt School of Finance, mit Blick auf die ISS-Akquisition.

Börsenchef Theodor Weimer erklärte: „Gemeinsam haben ISS und die Deutsche Börse beste Voraussetzungen, um einer der weltweit führenden ESG-Akteure der Zukunft zu werden.“ Für die nächsten Jahre strebt Weimer weitere Zukäufe an. Umsatz und Gewinne der Börse sollen bis 2023 jährlich um zehn Prozent steigen.