Möbel von großen Händlern wie Ikea oder Home24 sind zwar häufig günstig, aber nicht immer auch besonders nachhaltig. Siegel haben bislang nur wenige Produkte. Foto: dpa/Franziska Gabbert

Neue Möbel bei großen Händlern sind zwar billig, aber oft nicht unbedingt nachhaltig. Welchen Siegeln kann man trauen? Und was sind gute Alternativen?

Stuttgart - Wenn man viel Zeit zuhause verbringt, wie jetzt in der Corona-Zeit, dann wird es wichtiger, wie das eigene Zuhause eingerichtet ist. In den letzten Wochen und Monaten habe ich ziemlich oft von Leuten gehört, die ihre Wohnung umräumen, sich neue Möbel anschaffen oder die Zimmer streichen. Gerade große Einrichtungshäuser bieten auch im Lockdown Click & Collect an oder machen Online-Bestellungen möglich. Wie nachhaltig die Produkte sind, die man dort so bekommt, welche Siegel es gibt und was man sonst beim Möbelkauf in puncto Nachhaltigkeit wissen sollte - darum geht es in der heutigen Kolumne.

Ich wollte erst einmal herausfinden, wie man gerade bei großen Möbelhändlern erkennt, ob Sofa, Tisch oder Bett fair und umweltfreundlich produziert sind. Doch das ist gar nicht so einfach. Mitunter ist zwar von „Nachhaltigkeit“ die Rede, aber nirgendwo wird deutlich, was genau das bedeutet. Eine rechtsverbindliche Definition davon, was eine „nachhaltige Produktion“ von Möbeln ausmacht, gibt es nicht. Beim einem großen, deutschen Versandhändler steht zum Beispiel, dass das Kriterium für als nachhaltig gekennzeichnete Produkte ist, dass sie mindestens 30 Prozent nachhaltiges Material enthalten. Was nachhaltiges Material genau ist, bleibt unklar.

Wenige große Handelsketten kontrollieren den Markt

Um einen besseren Überblick zu dem Thema zu bekommen, habe ich mit Wolfgang Plehn gesprochen, der beim Umweltbundesamt für Bauen und gesundes Wohnen zuständig ist. Er sagt: Das große Problem bei Möbeln sei, dass es eine große Konzentration gebe und wenige große Handelsketten den Markt kontrollieren. „Möbelhersteller kommunizieren oft noch nicht einmal, wo ihre Produkte produziert wurden“, sagt Plehn. Es kann also beispielsweise sein, dass die Hölzer für ein Möbelstück aus nicht nachhaltigen Quellen stammen – doch für Käuferinnen und Käufer ist das kaum nachvollziehbar. Auch, ob ein Produkt gesundheitsschädliche Stoffe beinhalte, sei mitunter schwer einzuschätzen.

Der bekannte schwedische Möbelriese Ikea etwa verzichte völlig auf Kennzeichnungen und setze nur auf eigene Produktbeschreibungen, sagt Plehn. „Der Konzern macht sicher auch das ein oder andere Gute, aber wie weit das reicht, ist schwer zu bewerten.“ Kaum erkennbar oder einzuschätzen sei oft zudem, wie hochwertig und langlebig die Produkte seien. „Immer mehr Händler versuchen, Möbel als Schnäppchen anzubieten. In Folge dessen haben Möbel aus Sicht vieler Verbraucher nicht mehr eine so hohe Wertigkeit“, sagt Wolfgang Plehn.

Welche Siegel für Nachhaltigkeit es bei Möbeln gibt

Die günstigen Preise tragen wohl auch dazu bei, dass ein Möbelstück schneller ausrangiert und ersetzt wird. Nicht gerade nachhaltig. Was also kann man tun, wenn man selbst neue Möbel kaufen möchte?

Zum einen könne man versuchen, im Geschäft danach zu fragen, woher ein Produkt stamme, wie langlebig es sei und ob es irgendwelche Ausdünstungen verursache, rät Plehn. Empfehlenswert sei auch darauf zu achten, ob ein Möbelstück so hochwertig sei, dass es für 20 oder 30 Jahre halten könne. Zudem gibt es vier Siegel, die sich auf manchen Produkten finden. Sie zu kennen kann hilfreich sein - nicht alle sind gleich streng.

Der blaue Engel:

Das Umweltbundesamt empfehle für Möbel den Blauen Engel, sagt Wolfgang Plehn: „Dort werden auch Schadstoffe streng begrenzt und es wird darauf geachtet, dass Ersatzteile verfügbar sind und ausgetauscht werden können.“ So wird eine bedenkliche Freisetzung von Schadstoffen sowohl bei der Nutzung, als auch bei der Entsorgung ausgeschlossen. Außerdem sollen überwiegend Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft oder Althölzer verarbeitet sein. In den Blick genommen wird für das Siegel der gesamte Lebensweg der jeweiligen Produkte bis zur Entsorgung.

Das Goldene M:

Es ist das Siegel der Gütezeichen der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel. „Das Goldene M orientiert sich am Blauen Engel“, sagt Plehn. Die Produkte müssen im Hinblick auf Qualität, Sicherheit und Gesundheit sowie Umweltschutz bestimmte, strenge Kriterien erfüllen. Das Holz für die Möbel muss aus nachhaltig und legal bewirtschafteten Wäldern stammen, zudem heißt es, dass „die Prinzipien einer Recycling-gerechten Konstruktion zu beachten“ sein müssen. Getestet werden die Produkte auch auf Langlebigkeit.

Das FSC-Siegel:

Bei Möbeln soll das FSC-Siegel gewährleisten, dass das verwendete Holz aus nachhaltiger und umweltgerechter Waldwirtschaft stammt. Allerdings, sagt Plehn, werden gerade heimische Wälder in der Regel sowieso nachhaltig bewirtschaftet. Mitunter sei es daher eher Importholz, dass ein solches Siegel trage. Und das kann problematisch sein: So ist etwa die Umweltschutzorganisation Greenpeace – ursprünglich Mitinitiatorin des Forest Stewardship Council – ist hingegen 2018 aus dem FSC ausgetreten, aus Kritik an der Abholzung FSC-zertifizierter und intakter Urwälder. Im vergangenen Jahr hat die „Zeit“ anlässlich einer Recherche der Londoner NGO Earthsight über fragwürdige bis illegale Rodungen von Firmen in der Ukraine berichtet, die das FSC-Siegel tragen – und etwa Ikea beliefern.

Das PEFC-Siegel:

Inzwischen sieht man dieses Siegel häufiger auf Holzprodukten und Möbeln. Es soll ausweisen, dass das für ein Produkt verarbeitete Holz überwiegend aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Das Umweltbundesamt und die Umweltschutzorganisation Greenpeace allerdings kritisieren die nicht ausreichende Kontrolle der Einhaltung der Kriterien. Die Siegelvergabe erfolge nur auf Basis einer Selbstauskunft, teilweise für ganze Waldregionen, Kontrollen würden nur stichprobenartig erfolgen, heißt es. Mit dem Label habe sich die Wirtschaft im Wesentlichen selbst ein Gütesiegel verpasst, heißt es von Greenpeace.

Die Auflistung der Siegel und ihrer Kriterien zeigt auch, dass auch bei den meisten der so zertifizierten Produkte noch keine allumfassende Nachhaltigkeit garantiert ist. Klickt man sich durch die Online-Kataloge großer Möbelanbieter zeigt sich außerdem: Die überwiegende Zahl der dort gelisteten Möbelstücke hat gar kein Siegel.

Alternative zum Neukauf: Upcycling und Second Hand

Doch es gibt Alternativen zum Neukauf: Upcycling und Second Hand, also das Renovieren von Möbeln und der Kauf gebrauchter Produkte. Auf der Seite „Möbel Macht Geschichte“ listet der Blogger Timo Kunze Ideen und Initiativen für nachhaltige Möbelstücke auf. Er empfiehlt Reparatur-Initiativen und Werkstätten, die beim Upcycling helfen sowie Hersteller, die renovierte Möbel verkaufen. Außerdem gibt es auf der Seite einen Überblick über Anleitungen zum Selberbauen.

„Der Möbelkonsum in den westlichen Gesellschaften steigt alle zehn Jahre um 150 Prozent. Ursache ist ein Trend hin zu Einwegmöbeln, den Unternehmen wie IKEA wesentlich mitgeprägt haben. Möbel wurden bis vor 50 Jahren überwiegend handgefertigt und in der Regel aus heimischen Massivhölzern hergestellt. Sie wurden gepflegt, überdauerten Jahrzehnte und wurden vererbt“, schreibt Timo Kunze.

Gebrauchte Möbel findet man in sogenannten Second-Hand-Kaufhäusern oder in Sozialkaufhäusern – in Stuttgart und Umgebung zum Beispiel bei „Fairkauf“ in Feuerbach, bei „Das Kaufhaus“ in Wangen oder „Der Schmidt nimmt’s mit“ in Untertürkheim. Einen größeren Überblick gibt es hier. Gerade in der Coronazeit ist auch eBay Kleinanzeigen eine gute Adresse bei der Suche nach Möbeln. Mit ein wenig Geduld finden sich hier nicht nur günstige, sondern auch schöne Stücke mit Retro-Charme.

Hanna Spanhel wartet ungern darauf, dass Politik oder Wirtschaft mehr für den Klimaschutz tun, sondern denkt lieber darüber nach, was jede und jeder selbst tun kann. Die Redakteurin kümmert sich ansonsten um die Wissens-Seiten dieser Zeitung.