Viele Menschen genießen gerade den warmen Sommer – zu Recht. Aber das erhitzte Klima führt auch zu enormen Kosten und lässt Politiker ihre Kleiderregeln überdenken. Ein Überblick.
Manchmal machen kurze Ärmel den Ernst einer Lage erst wirklich klar. Vergangene Woche trat der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, in einem kurzärmeligen Hemd vor die Presse. Anzüge sind eigentlich die Norm für solche Termine im Völkerbundpalast der UN in Genf. Aber diese Norm sei eingeführt worden, als die Raumtemperaturen zehn oder 15 Grad niedriger lagen, sagte Taalas bei 37 Grad und ohne Klimaanlage. Das ist wohl noch die einfachste Form der Anpassung an die Klimaerhitzung. Und die billigste.
Die vergangene Tage haben uns klar gemacht, wie eine aufgeheizte Welt aussieht. Währenddessen rückt das 1,5-Grad-Ziel in immer weitere Ferne. Die meisten Forscher:innen sagen bei dem aktuellen Kurs eine Erwärmung von 2,5 bis 3 Grad voraus. Da würde man sich gerne irgendwo in der Nähe eines Gletschers einmieten, um sich regelmäßig abkühlen zu können. Aber aktuelle Bilder vom Hintertuxer Gletscher in Tirol erinnern an einen Film, der eine nahende Apokalypse zeigt: dunkelgraues Eis und Skifahrer:innen, die durch Bäche von Schmelzwasser rauschen, wie ein letztes Aufbäumen vor dem Untergang.
Viele Gletscher wird es 2050 nicht mehr geben
Für die Gletscher kämen die Bemühungen ohnehin zu spät, sagt WMO-Generalsekretär Taalas. Selbst, wenn wir aktuelle Klimaziele erreichen, werde sich die Gletscherschmelze für Hunderte oder Tausende Jahre fortsetzen. Die Glaziologin Andrea Fischer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sagte im ORF-Radio, die Gletscher seien in so schlechtem Zustand wie nie zuvor. Die meisten österreichischen Gletscher werden bis 2050 verschwunden sein. In Deutschland sieht es nicht besser aus. Für den Schneeferner auf der Zugspitze geht die Bayerische Kommission für Glaziologie davon aus, dass er in zehn bis 15 Jahren vollständig geschmolzen ist. Nicht mal sofortige Klimaneutralität könnte die Gletscher retten.
Unser CO2 schadet meist anderen
Aber wir verlieren nicht nur Gletscher, sondern auch Menschenleben. Mehr als 19.000 Menschen sind laut dem Robert-Koch-Institut in den Jahren 2018 bis 2020 aufgrund von Hitze gestorben. Auch wirtschaftlich kommt uns die Erderhitzung teuer zu stehen. Die kostet Deutschland 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Seit dem Jahr 2000 betragen die durch Hitze, Dürre und Fluten verursachten Kosten hierzulande 145 Milliarden Euro, ergeben Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums.
Aber noch größer ist der Schaden, der durch die CO2-Emissionen von Deutschland in anderen Ländern entstehen. Deutschland hat demnach zwischen 1990 und 2014 durch seine CO2-Emissionen einen Schaden von 286 Milliarden Euro in anderen Ländern verursacht, wie eine Studie des Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire errechnete. Das entspricht etwa dem Bruttoinlandprodukt von Finnland. Und der Schaden – durch Dürren entsteht demnach großteils in ärmeren Ländern, die selbst kaum zum Klimawandel beitragen.
Schaden: Eine 6 mit zwölf Nullen
Allein die ersten fünf Länder in diesem Ranking – Deutschland liegt auf Platz 9 – haben demnach mit ihren Emissionen einen Schaden von fast 6000 Milliarden Euro verursacht, ausgeschrieben ist das eine 6 mit zwölf Nullen. Das sind rein wirtschaftliche Verluste; solche durch Todesfälle, schwindende Artenvielfalt oder der ideelle Wert der wegschmelzenden Gletscher sind da nicht mit eingerechnet.
In Deutschland sind bis zu 6 Grad mehr möglich
Und es sind nur die bisherigen Kosten; die einer global um 1,1 Grad erwärmten Temperatur. Bei den befürchteten 3 Grad wären die Folgen noch mal größer, und zwar erheblich schlimmer als das Dreifache der bisherigen Auswirkungen, wie der Klimaforscher Stefan Rahmstorf in einem Buchbeitrag schreibt. Das liege etwa daran, dass die Temperaturen in vielen Landgebieten doppelt so schnell ansteigen wie das globale Mittel – weil dies zu 70 Prozent aus Meerestemperaturen gebildet wird. Eine globale Erwärmung um 3 Grad könnte in Deutschland also bis zu 6 Grad bedeuten. Um die Größenordnung zu veranschaulichen: Die Durchschnittstemperatur hierzulande betrug im Vorjahr 9,1 Grad.
Diese Zahlen machen nachdenklich. Aber sie relativieren zum Beispiel auch die Kosten für die Energiewende. Diese betragen laut dem Ifo-Institut zwischen 500 und 3000 Milliarden Euro bis 2050. Jährlich wären das demnach 0,4 bis 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist eine sinnvolle Investition, um unseren Kindern eine bewohnbaren Planeten zu hinterlassen. Denn irgendwann reichen keine Kurzarmhemden mehr.